Dienstag, 28. August 2012

Ankunft Daheim!

Rückblickend betrachtet habe ich es doch eine Woche in Marrakesch ausgehalten und das, obwohl ich mich nie mit der Stadt anfreunden konnte. Marrakesch im Juli bedeutete massenhaft Touristen und das bei 40 °C. Ich genoss aber die Infrastruktur, sprich Internetzugang und konnte deshalb schon damit beginnen, die notwendigen Dokumente für mein gabuner Auto zu organisieren, um ohne Probleme in die Europäische Union einreisen zu können. 
Mein letzter Abend in Marrakesch war dann aber doch noch schön. So hatte am Tag zuvor der Ramadan begonnen und als ich mich an diesem letzten Abend in Marrakesch auf die Straßen begab, waren diese wie leergefegt. Die Touristen schienen vom Erdboden verschluckt worden zu sein. Plötzlich waren auch die kleinen marokkanischen Cafés zu sehen, in denen emsig das Nachtmahl vorbereitet wurde, für alle jene, die den Heißhunger nach dem Moscheebesuch in einem Cafe zu stillen gedachten. Und mit dem Einbruch der Dunkelheit füllten sich die Cafés, aber nun, zum ersten mal seit meiner Ankunft in dieser historischen Stadt, nicht mit Touristen, dafür aber mit Marokkanern. Es schien als hätten sich die Einheimischen diese Stadt zumindest für eine Nacht zurückerobert. Ich nutzte die Ruhe, um doch noch abschließend ein wenig "sightseeing" zu betreiben und schlenderte in der Dunkelheit durch die berühmten Gassen und über die sehenswerten Plätze dieser Stadt. Am nächsten Morgen ging es aber weiter. Und, da mein Herz immer mehr in Richtung Europa blickte, wählte ich den direkten Weg von Marrakesch nach Fès ohne weitere Bummelfahrten im Hochatlas zu unternehmen. Aber auch bei dieser direkten Route über Beni Mellal und Khénfira nach Fès handelte es sich um eine wunderschöne Route.
In Fès angekommen suchte ich sofort meine gebuchte Unterkunft, wo ich auch meine Autoversicherung für die Europäische Union aufzufinden hoffte. Die Ankunft meiner Autoversicherung sollte aber noch einige Tage auf sich warten lassen und damit meine Überfahrt nach Europa um fast zwei Wochen verzögern. Glücklicherweise durfte ich diese Wartezeit in Fès absitzen. Fès ist so wie Marrakesch eine Königsstadt, die aber diesen historischen Flair mehr gewahrt hat. Das bedeutete aber nicht, dass man in Fès einfach und ungestört durch die Altstadt spazieren konnte. Während Marrakesch einen ständigen Kampf gegen Touristen und Marktschreier bzw. Händler jeder Art bedeutete, musste man in Fès Acht geben, dass man aufgrund der Menge an selbsternannten Touristenführern und den damit verbundenen unnötigen Diskussionen, nicht die eigentlichen Sehenswürdigkeiten der Stadt verpasste. So begab ich mich nur an ganz guten Tagen in die Altstadt und verbrachte die meiste Zeit in der sogenannten "Ville Nouvelle", wo ich mir selbst überlassen wurde und ich ungestört meine Streifzüge durch Fès bestreiten konnte. 

Die Königsstadt Fès
Der Ramadan kam mir insofern entgegen, als dass dadurch die Touristenzahlen stark zurückgegangen sind und die allgemeine Hektik und der Trubel bedeutend weniger waren. Dafür war es untertags oftmals ein recht schwieriges Unterfangen Nahrung und vor allem genügend zum Trinken zu finden, da ein Großteil der Marokkaner, und damit auch die Greisler, erst abends das Haus verließen. Ich erwähne hier nochmals, dass es untertags regelmäßig über 40 °C hatte!
Obwohl ich Fès wirklich schätzte, entschloss ich mich schlussendlich das weitere Warten weit weg von Stadtmauern zu betreiben. Die Reise ging also weiter Richtung Norden über Taounate nach Ketama. Ketama war sozusagen das Tor zum marrokanischen Rif. Es folgte also eine weitere wunderschöne Autofahrt, dieses Mal durch den Rifgebirgszug. Genauergesagt war es eine Autofahrt durch eine wunderschöne Landschaft, denn das Fahren selbst stellte sich als eher schwierig heraus. Obwohl die maximale Geschwindigkeit für diese Gebirgsstrecke je nach Abschnitt zwischen 60 und 100 km/h lag, fuhr ein Großteil der Verkehrsteilnehmer bei einer Geschwindigkeit von 20 bis maximal 40 km/h. Jedes zweite Auto im Gegenverkehr kam mir lichthupend entgegen, weshalb ich anfangs zweimal stehen blieb, um nachzusehen, ob sich an der vorderen Stoßstange irgendetwas verfangen hat. In den Dörfern wurde ich von den Fußgängern dazu gezwungen, mein Tempo auf ca. 10 km/h zu drosseln und wurde zusätzlich ständig um Zigaretten angebettelt - ein System, das ich vorerst nicht verstehen konnte, da ich die Erfolgsrate beim Anbetteln von vorbeifahrenden Autos für eher gering hielt. Aber plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich konnte mich wieder erinnern, dass ich in einem Marokkoreiseführer einen Artikel mit dem Titel "Kif in the Rif" gelesen hatte. Im selben Moment sah ich auch, dass es sich bei den Pflanzen, die auf den Äckern entlang der Straße angebaut wurden, um Hanf handelte. Über meine Naivität und die daraus resultierenden Falschinterpretationen der Lichthupen und Zigarettenbettler musste ich dann doch ein wenig Schmunzeln. Auch das gemütliche "Dahintuckern" der anderen Verkehrsteilnehmer konnte ich nun erklären. Anstatt mich mit Rauschmitteln einzudecken fuhr ich aber weiter im Rif und zwar über Bab Taza nach Chefchaouen, der vielleicht schönsten Stadt meiner Afrikareise.

Blick auf die Kasbah und den umliegenden Stadtteil von Chefchaouen
Von Chefchaouen begann ich dann meine Streifzüge in die Bergregion rund um den Nationalpark Talassemtane. Im Rahmen dieser ersten Exkursionen entdeckte ich dann das kleine Berberdorf Azilan, wohin ich dann auch sogleich meinen Stützpunkt verlegte. Von Azilan gingen dann meine letzten Affenexpeditionen aus auf der Suche nach den Berberaffen des Rifs. Die Suche war schlussendlich erfolgreich, wenn gleich ich kameratechnisch nie in Abschussposition kam. Ornithologisch stellte sich die Region anfangs als Herausforderung heraus, da meine Bestimmungsliteratur für Zentral- und Westafrika den Vögeln des Rifs nicht mehr gewachsen war. Auf den zweiten Blick konnte ich aber feststellen, dass ich eigentlich die meisten Vögel von zu Hause kannte: vom Rotkehlchen über Blaumeisen zu Buchfinken. Anbei wieder die Gesamtliste meiner Beobachtungen.

Säuger: Berberaffe (Macaca sylvanus), Mauswiesel (Mustela nivalis) und Fledermäuse, die ich nicht bestimmen konnte.

Vögel: Weißstorch (Ciconia ciconia), Schwarzmilan (Milvus migrans), Froschweihe (Circus ranivorus), Turmfalke (Falco tinnunculus), Ringeltaube (Columba palumbus), Mauersegler (Apus apus), Haubenlerche (Galerida cristata), Gebirgsstelze (Motacilla cinerea), Blaumerle (Monticola solitarius), Singdrossel (Turdus philomelos), Rotkehlchen (Erithacus rubecula), Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros), Diademrotschwanz (Phoenicurus moussieri), Mittelmeersteinschmätzer (Oenanthe hispanica), Trauersteinschmätzer (Oenanthe leucura), Schwarzkehlchen (Saxicola rubicola), Gelbspötter (Hippolais icterina), Atlasgrasmücke (Sylvia deserticola), Samtkopfgrasmücke (Sylvia melanocephala), Zilpzalp (Phylloscopus collybita), Grauschnäpper (Muscicapa striata), Tannenmeise (Periparus ater), Blaumeise (Cyanistes caeruleus), Kohlmeise (Parus major), Gartenbaumläufer (Certhia brachydactyla), Eichelhäher (Garrulus glandarius), Kolkrabe (Corvus corax), Einfarbstar (Sturnus unicolor), Haussperling (Passer domesticus), Girlitz (Serinus serinus), Buchfink (Fringilla coelebs), Fichtenkreuzschnabel (Loxia curvirostra), Wüstengimpel (Bucanetes githagineus), und viele weitere KBVs und KSVs, die ich nicht zu bestimmen vermochte.

Eine Gruppe von Weißstörchen (Ciconia ciconia) oberhalb von Chefchaouen
Ein Gelbspötter (Hippolais icterina) in den Gärten Azilans
Ein Girlitz (Serinus serinus) in den Pinienwäldern rund um Azilan
Ein Fichtenkreuzschnabel (Loxia curvirostra), den ich in der Nähe einer Wasserstelle entlang der Bergstraße nach Azilan gesichtet habe.
Reptilien: Europäischer Fransenfinger (Acanthodactylus erythrurus)

Ein Europäischer Fransenfinger (Acanthodactylus erythrurus) beim "Wärmetanken"
Amphibien: Nordafrikanischer Feuersalamander (Salamandra algira), Berberkröte (Bufo mauritanicus)


Die Berberkröten (Bufo mauritanicus) waren nur nach Sonnenuntergang zu sehen
Schweren Herzens brach ich von meiner Herbergsfamilie in Azilan Richtung Bab Taza auf, von wo aus ich dieselbe Route zurück nach Fès nahm. 

Auch meine Herberge in Azilan war eingebettet in "kleine" Hanffelder
In Fès angekommen, musste ich feststellen, dass meine Autopapiere immer noch nicht angekommen waren. Also hieß es erneut Warten in der Königsstadt. Am folgenden Tag erhielt dich dann aber endlich eine Mitteilung der marokkanischen Post, dass ein Brief für mich abholbereit aufliegt. Im Postamt angekommen, durfte ich dann mit der Arbeitsweise der marokkanischen Post Bekanntschaft machen. Zu deren Verteidigung kann ich nur vorbringen, dass diese Arbeitsweise wahrscheinlich nicht besser, aber auch nicht schlechter sein dürfte als in Postämtern in anderen Ländern dieser Welt und so wurde mir an einem Freitag um 10:00 Uhr vormittags am Postschalter mitgeteilt, dass das Wochenende schon begonnen hat und ich doch bitte am Montag wiederkommen solle. Meine Hartnäckigkeit habe ich ja schon in einigen früheren Blogeinträgen beschrieben und so kam es auch hier wieder zum Kampf zwischen meinem "Sitzfleisch" und der marokkanischen Sehnsucht nach Wochenende. Schlussendlich begab sich dann einer der Postbeamten auf die Suche nach meinem Brief, die aufgrund des hohen Organisationsgrades in diesem Postamt auch nur knapp eine Stunde dauerte. Aber wie auch immer, ich hatte schlussendlich meine Autopapiere und konnte damit endgültig Richtung Mittelmeerküste reisen.
Ein weiteres Mal führte mich die Route durchs Rifgebirge nach Bab Taza von wo aus ich nun gen Tétouan und dann an den Grenzübergang der spanischen Enklave Ceuta fuhr. Am Grenzübergang wollte ich dann voller Stolz meine EU-tauglichen Autopapiere vorzeigen, nur interessierte sich kein einziger spanischer Zöllner dafür. Diese untersuchten mein Auto auf potentielle Drogenpakete und forderten mich dann eher schroff auf endlich weiterzufahren. 
Ich war also nach nun über 8 Monaten Autofahrt zurück in der Europäischen Union. Obwohl Ceuta noch auf dem afrikanischen Kontinent liegt, ist der Unterschied zu Marokko gewaltig. Zwei Sachen stachen mir sofort ins Auge: der hohe Organisationsgrad und die hohen Preise. Ich musste mich vor allem wieder daran gewöhnen, dass man sein Auto nicht mehr einfach dort abstellt, wo man gerade aussteigen will, sondern sich einen Parkplatz suchen muss und für diesen dann auch noch bezahlen darf. Meine Rückkehr nach Europa war also ein wenig gewöhnungsbedürftig. Als ich endlich eine halbwegs "günstige" Herberge gefunden hatte, wurde darauf bestanden, dass ich sofort zu bezahlen hätte. Ich konnte in diesem Falle nur anbieten in marokkanischen Dirham zu bezahlen, was prompt abgelehnt wurde. Gnadenhalber wurden mir 5 Minuten gewährt, um Euro aufzutreiben. Auf meiner Suche nach einem Geldautomaten kam ich dann an meinem ersten europäischen Supermarkt seit ewigen Zeiten vorbei - ein Spar-Supermarkt. Anstatt gleich zurück ins Hotel zu gehen, um meine "Schulden" zu bezahlen, zog mich der Supermarkt magisch an. Im Supermarkt angekommen bereute ich diese Entscheidung sogleich. Dieses ganze Gewusel mit den Einkaufswägen war mir vorerst noch zu viel und so flüchtete ich schnurstraks zurück in mein Hotel und verkroch mich ein wenig in meiner Unterkunft. Am nächsten Tag organisierte ich dann die nur 30 minütige Überfahrt aufs europäische Festland, genauer gesagt nach Algeciras. Von Algeciras ging es direkt nach Estepona, wo ich bei meinen Studienfreunden Julia und Fernando unterkam. Ich war dankbar meinen Wiedereinstieg in Europa bei Freunden, sprich in einem etwas geschützen Rahmen, beginnen zu können. Am selben Tag kamen zwei weitere Hausgäste an. Zwei Steirer, die ihren Andalusienurlaub ebenfalls bei Julia und Fernando begannen. Und so zog ich in steirischer Begleitung durch die Straßen von Estepona. Höhepunkt meines Aufenthaltes war aber eindeutig die Bootsfahrt zu und anschließend mit den Delfinen. 

Ein Gruppe Gemeiner Delfine (Delphinus delphis) im Mittelmeer vor der Küste Esteponas
Nach zwei Tagen und ein wenig sangria-gehandicapt ging also die Autobahnfahrt Richtung Österreich los; denn, die Entscheidung war gefallen, dass ich keine Urlaubszeit mehr in Spanien oder Frankreich verbringen wollte. Von Estepona ging es über Marbella, Málaga, Granada, Lorca und Murcia nach Valencia und von dort über Castellón de la Plana, Tarragona, Barcelona und Girona an die spanisch-französische Grenze. Von dort fuhr ich über Perpignan, Narbonne, Montpellier, Nîmes, Arles, Aix-en-Provence nach Nizza, vorbei an Monaco nach Genua und über Alessandria, Piacenza, Brescia, und Trient nach Bozen mit einer Übernachtung in Klausen, wo zum ersten Mal, ganz starke heimatliche, nostalgische Gefühle ausgelöst wurden, denn ich war zurück in den Alpen. 

Blick auf Monaco
Von Klausen ging es dann über das Pustertal nach Lienz. Vom Osttirol fuhr ich weiter nach Schladming und dann nach Pruggern im Ennstal, wo meine alte Clique aus Innsbrucker Studententagen eine Hütte gemietet hatte. Und so verbrachte ich meine erste Woche in der Heimat mit meinen Freunden auf einer Hütte zum Geschichten austauschen und natürlich auch zum Bergwandern: Stierkarsee (1810m), Deneck (2433m), Neualmscharte (2347m) und Pleschnitzzinken (2112m). 

Das Rapoldifamilienfoto am Anstieg zum Pleschnitzzinken (Foto: Patrick Jussel)
Neualmscharte: Der Blick zurück auf den Obersee, den Hüttensee und den etwas versteckten Ausgangspunkt, den Steirischen Bodensee (im Hintergrund: Stoderzinken und Kamm)
Natürlich nutzte ich das Bergwandern in den Niederen Tauern auch zum Wiedererkunden der österreichischen Fauna:

Säuger: Alpenspitzmaus (Sorex alpinus), Eichhörnchen (Sciurus vulgaris), Alpenmurmeltier (Marmota marmota), Gämse (Rupicapra rupicapra) und Mäuse sowie Maulwürfe, die ich nicht bestimmen konnte.

Alpenspitzmaus (Sorex alpinus) beim Abstieg von der Hans-Wödl-Hütte
Flüchtende Gämse (Rupicapra rupicapra) am Deneck
Vögel: Blässgans (Anser albifrons), Stockente (Anas platyrhynchos), Mäusebussard (Buteo buteo), Haselhuhn (Bonasa bonasia), Auerhuhn (Tetrao urogallus), Buntspecht (Dendrocopos major), Bachstelze (Motacilla alba), Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros), Wacholderdrossel (Turdus pilaris), Weidenmeise (Parus montanus), Kohlmeise (Parus major), Kleiber (Sitta europaea), Waldbaumläufer (Certhia familiaris), Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes), Alpendohle (Pyrrhocorax graculus), Kolkrabe (Corvus corax), Buchfink (Fringilla coelebs), und einige weitere KBVs und KSVs, die ich nicht zu bestimmen vermochte.

Stockenten (Anas platyrhynchos) am Steirischen Bodensee
Weidenmeise (Parus montanus) am Aufstieg zum Stierkarsee
Ein Kleiber (Sitta europaea) am Aufstieg zur Neualmscharte
Ein Waldbaumläufer (Certhia familiaris) am Galsterberg
Amphibien: Alpensalamander (Salamandra atra), Grasfrosch (Rana temporaria)

Ein Grasfrosch (Rana temporaria) im namenlosen See oberhalb des Kaltenbachsees
Nach dieser wunderschönen Woche mit meinen Freunden im Ennstal machte ich mich an den letzten Teil meiner Strecke. Ich fuhr zurück nach Schladming und dann über Salzburg und Innsbruck nach Lech am Arlberg, um von dort in den Bregenzerwald einzutauchen und nach etwas mehr als 27.000 km und der Fahrt durch 19 Länder in Bersbuch bei meiner Familie anzukommen. Ich wurde von meinen Eltern und Geschwistern empfangen, die ein kleines Grillfest organisiert hatten. Und so wurde das Wiedersehen bis spät in die Nacht gefeiert.

An dieser Stelle sollte jetzt wahrscheinlich ein Resümee geschrieben werden. Dafür müsste ich das ganze Abenteuer nüchtern analysieren, was aber noch nicht möglich ist. Vielmehr befinde ich mich nach wie vor in einem Hochgefühl und einer Zufriedenheit darüber, dass ich das erleben durfte, was ich in den letzten neun Monaten erlebt habe. Spontan fallen mir zwei "Highlights" ein, die wirklich ein wenig herausstechen. Da ist einmal jener Morgen, an dem ich mich aufmachte, um den Niokolo-Koba Nationalpark im Senegal zu verlassen und dabei innerhalb einer halben Stunde meinen ersten Leoparden und meine ersten Wildhunde sah und da ist mein Aufenthalt im beninischen Fischerdorf Kouvenafide, der einfach unglaublich schön, man könnte fast sagen kitschig war: das Schlafen am Strand unter dem afrikanischen Sternenhimmel, das meditative nächtliche Trommeln, der frische Fisch, die angenehme Harmonie innerhalb der Familie, die mich beherbergte bzw. eigentlich innerhalb des ganzen Dorfes. Was ich aber kurz auflisten kann sind meine "favorits" hinsichtlich Länder, Fahrstrecken und Nationalparks:

Meine Top 5 der besuchten Länder:
     1. Kamerun
     2. Benin
     3. Ghana
     4. Senegal
     5. Sierra Leone

Meine Top 5 der gefahrenen Autostrecken:
     1. Atakoragebirge (Benin/Togo)
     2. Hoher Atlas (Marokko)
     3. Grassfields (Kamerun)
     4. Westafrikanischer Regenwald (Liberia)
     5. Rif-Gebirge (Marokko)

Meine Top 5 Nationalparks:
     1. W (Benin)
     2. Mole (Ghana)
     3. Niokolo-Koba (Senegal)
     4. Gola-Hills (Sierra Leone)
     5. Pendjari (Benin)



Aber weit mehr als ein Rückblick beschäftigt mich der Blick in die Zukunft. Vielleicht ist es unpassend, aber in letzter Zeit fällt mir oft ein Zitat aus J. R. R. Tolkiens drittem Teil (The Return of the King) der Trilogie "Der Herr der Ringe" ein: "How do you pick up the threads of an old life? How do you go on, when in your heart, you begin to understand, there is no going back?". Ja, und wenn ich mir so anschaue, in welche Richtung meine Jobsuche verläuft, so scheint sich der letztere Teil dieses Zitats zu bewahrheiten. 
Wenn man sich die Literatur anschaut, die Reisende eben während dem Reisen lesen, so hat diese meist mit dem besuchten Land, den Menschen und/oder der lokalen Kultur zu tun. Bei mir war das doch ein wenig anders. Eines jener Bücher, das ich mir während meiner Zeit in Ghana und Côte d'Ivoire zu Gemüte führte, war Hermann Hesses "Das Glasperlenspiel". Und genau in diesem Buch fand ich ein Gedicht des Glasperlenspielmeisters Josef Knecht, das mir jedes Mal, wenn ich es wieder durchlese das Gefühl gibt, als hätte da jemand mein Leben beschreiben wollen:


                    S T U F E N

                    Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
                    Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
                    Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
                    Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
                    Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
                    Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
                    Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
                    In andre, neue Bindungen zu geben.
                    Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
                    Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

                    Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
                    An keinem wie an einer Heimat hängen,
                    Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
                    Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
                    Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
                    Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
                    Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
                    Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

                    Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
                    Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
                    Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
                    Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Sonntag, 22. Juli 2012

...und dann kam der Sand!

Ja, und dann kam der Sand:

Sanddüne im Nationalpark Banc d'Arguin in Mauretanien
Aber, wir wollen chronologisch korrekt bleiben. Mein letzter Blogeintrag kam aus Dakar. Dakar war definitiv jene Großstadt auf meiner Reise durch Westafrika, die mich am meisten beeindruckt hat. Warum dies so war, ist schwer zu erklären, aber der Charme, der Flair dieser Stadt hat mich einfach gefangen genommen. So wurden aus meinen üblichen zwei bis drei Tagen Aufenthalt in einer Hauptstadt eine ganze Woche. Ich liebte es mich einfach auf die Straßen zu begeben und mich treiben zu lassen. Natürlich war dies auch ein wenig stressig, da erstens kein Sich-Fortbewegen auf dem Gehsteig möglich war. Der Gehsteig wurde von diversen Markthändlern (Obst, Schuhe, Kleidung, Bücher (allen voran der Koran)) okkupiert, wodurch die Fußgänger sich die Straße mit den Autos teilen mussten. Und zweitens ich als Weißer natürlich wieder auffiel, wenn gleich im Senegal und noch viel mehr in Dakar sehr viele Europäer leben, und somit zum primären Ziel der Straßenhändler wurde. Inzwischen bin ich aber doch schon recht erfolgreich im Abwimmeln eben dieser und konnte damit die Stadt wirklich genießen.


Die Skyline von Dakar
Einer meiner Dakarausflüge führte mich nach Gorée, eine der Hauptstadt vorgelagerte Insel mit einer sehr düsteren Vergangenheit. Die Insel diente lange Zeit der Verschiffung von Sklaven und obwohl ich entlang der Sklavenküste Ortschaften besucht hatte, die im Vergleich zu Gorée eine weit bedeutendere Rolle im Sklavenhandel gespielt hatten, so war der Besuch auf dieser Sklaveninsel doch sehr beklemmend. Ärgern durfte ich mich dann noch im Naturhistorischen Museum, das zu meiner Überraschung einige unglaubliche Exponate zu bieten hatte: Australopithecus robustus und Australopithecus africanus, sowie Homo erectus und selbst Homo neanderthalensis oder mehrere imposante Megalithen aus der Senegambiaregion - nur um ein paar Highlights aufzuzählen. Ein Großteil dieser Schätze war zwar hinter Glasvitrinen ausgestellt. Aber wiederum ein Großteil dieser Glasvitrinen war nicht mehr intakt und man kann fast zusehen, wie die Meeresluft die Exponate auffrisst.


Die Insel Gorée
Dakar war auch deshalb sehr nett, weil ich hier Freunde besuchte, mit denen ich damals in Gabun zusammengearbeitet hatte und die inzwischen ihren Lebensmittelpunkt nach Dakar verlagert haben.


Abendessen im kapverdischen Restaurant "Loutcha" mit Solange Soulanoudjingar, einer tschadischen Ärztin, mit der ich in Gabun zusammengearbeitet habe und einem traditionellen Koraspieler - fast wie beim Heurigen in Wien
Aber meine Reise war ja noch nicht zu Ende und so ging es über Thiès und Kébémèr nach St. Louis. St. Louis war eine weitere senegalesische Stadt mit viel Flair und viel Geschichte (Hauptstadt des franz. Westafrika bis 1902). Die Stadt ist ähnlich angelegt wie mein geliebtes Lambaréné in Gabun, sprich mit einer Insel, die in diesem Falle im Senegal (Fluss) liegt und den beiden gegenüberliegenden Flussufern. Ich quartierte mich in der Auberge St. Louisiana eine, die direkt am Nordufer der Insel liegt. Ich konnte also abwechselnd durch die alte Kolonialstadt bummeln oder auf der Terrasse meiner Unterkunft dem Ab- und Anlegen der Fischerboote sowie beim Fischen der Pelikane und Silberreiher zusehen. 


In den Straßen von St. Louis
Siesta in St. Louis
Es wurde immer schwerer, mich dazu zu bewegen den Senegal zu verlassen und nach Mauretanien weiterzureisen - St. Louis ist ja nicht mehr weit von der Grenze entfernt. Aber, anstatt weiter Richtung Norden zu fahren, fuhr ich nochmals zurück Richtung Süden nach Gandiol und dann nach Mouit, von wo aus ich den Nationalpark Langue de Barbarie betrat. Dieser Nationalpark wurde mir von Urs Kalbitzer, einem deutschen Primatologen des Deutschen Primatenzentrums an der Universität Göttingen, ans Herz gelegt (ach ja und schon wieder ein Universitätskontakt, den ich auf dieser Reise geknüpft habe). Der Urs macht eine vergleichende Studie an den Guineapavianen im Niokolo-Koba Nationalpark im Senegal, wo ich ihn getroffen hatte, und den Bärenpavianen im Okavangodelta Nationalpark in Botswana - ziemlich cool!
Da auch im Senegal die Hauptsaison für Touristen im Dezember und Jänner ist, hatte ich den Nationalpark Langue de Barbarie ganz alleine für mich – bis auf ein älteres neuseeländisches Pärchen, das sich aber weniger für den Nationalpark interessierte, dafür aber immer mit einem 16:00 Uhr Tee aufzuwarten wusste. Zu meinem Glück war meine Unterkunft mit einem kleinen Kanu ausgestattet, mit dem ich zwischen Senegalufer und Atlantikküste hin und her pendeln konnte - von meinem Muskelkater zum Zeitpunkt meiner Abreise will ich hier lieber nicht berichten. Aber die Tatsachen, dass der Senegalfluss oder besser gesagt das Senegalästuar an dieser Stelle den Meeresgezeiten folgte und ich alles andere als erfahren im Kanu fahren bin, machten das Paddeln recht anstrengend.



Frühstücksterrasse in der Zebrabar im Nationalpark Langue de Barbarie
Und wie nicht anders zu erwarten in einem Delta, gab es natürlich auch einiges an Fauna zu beobachten:

Säuger: Husarenaffe (Erythrocebus patas)

Vögel: Riedscharbe (Phalacrocorax africanus), Kormoran (Phalacrocorax carbo), Rosapelikan (Pelecanus onocrotalus), Graureiher (Ardea cinerea), Küstenreiher (Egretta gularis), Kuhreiher (Bubulcus ibis), Seidenreiher (Egretta garzetta), Mangrovenreiher (Butorides striatus), Fischadler (Pandion haliaetus), Schwarzmilan (Milvus migrans), Doppelspornfrankolin (Francolinus bicalcaratus), Senegaltriel (Burhinus senegalensis), Austernfischer (Haematopus ostralegus), Spornkiebitz (Vanellus spinosus), Pfuhlschnepfe (Limosa lapponica), Regenbrachvogel (Numenius phaeopus), Heringsmöwe (Larus fuscus), Graukopfmöwe (Larus cirrocephalus), Lachseeschwalbe (Gelochelidon nilotica), Königsseeschwalbe (Sterna maxima), Raubseeschwalbe (Sterna caspia), Brillentaube (Streptopelia decipiens), Palmtaube (Streptopelia senegalensis), Kaptäubchen (Oena capensis), Erzflecktäubchen (Turtur abyssinicus), Spornkuckuck (Centropus senegalensis), Haubenzwergfischer (Alcedo cristata), Graufischer (Ceryle rudis), Zwergspint (Merops pusillus), Weißkehlspint (Merops albicollis), Blauwangenspint (Merops persicus), Grautoko (Tockus nasutus), Rotschnabeltoko (Tockus erythrorhynchus), Graubrustspecht (Dendropicos goertae), Haubenlerche (Galerida cristata), Graubülbül (Pycnonotus barbatus), Weißaugendrossling (Turdoides reinwardtii), Sudandrossling (Turdoides plebejus), Rotbrust-Glanzköpfchen (Chalcomitra senegalensis), Elfennektarvogel (Cinnyris pulchellus), Goldscheitelwürger (Laniarius barbarus), Schildrabe (Corvus albus), Gelbschnabel-Madenhacker (Buphagus africanus), Grünschwanzglanzstar (Lamprotornis chalybaeus), Langschwanzglanzstar (Lamprotornis caudatus), Haussperling (Passer domesticus), Graukopfsperling (Passer griseus), Braunrücken-Goldsperling (Passer luteus), Zwergweber (Ploceus luteolus), Dorfweber (Ploceus cucullatus), Schwarzkopfweber (Ploceus melanocephalus), Blutschnabelweber (Quelea quelea), Senegalamarant (Lagonosticta senegala), und weitere Vögel (vor allem Möwen und Seeschwalben), die ich nicht zu bestimmen vermochte.


Rosapelikane (Pelecanus onocrotalus) im Flug über das Senegalästuar
Rotschnabeltoko (Tockus erythrorhynchus)
Ein Nationalpark, in dem die Verbindung von Natur- und Kulturland funktioniert: Gelbschnabel-Madenhacker (Buphagus africanus) haben mangels Großsäuger wie Büffel oder Pferdeantilopen eine Alternative gefunden.
Ein männlicher Senegalamarant (Lagonosticta senegala)
Reptilien: Siedleragame (Agama agama)


Ein männliches Exemplar einer Siedleragame (Agama agama), die hier ihre nördliche Verbreitungsgrenze finden
Nach dem sehr entspannenden Aufenthalt in der Zebrabar - die von einer schweizer Familie betrieben wird (ich durfte mich also wieder mal in meiner Muttersprache unterhalten) - im Nationalpark Langue de Barbarie ging es zurück nach St. Louis, um von dort über Ross Bethio nach Rosso, an die senegalesisch-mauretanische Grenze zu fahren. Rosso ist jener Ort, an dem der Großteil der Grenzübertritte zwischen dem Senegal und Mauretanien erfolgen. Da ich mich inzwischen auf der klassischen Westafrikaroute befand, gab es sehr viele Europäer, die diesen Grenzübergang benutzten. Dieses Faktum war aber leider nicht zu meinem Vorteil, denn viele weiße Touristen bedeutet, dass sich sehr viele ans "einfache Geld" gewöhnt hatten. Und trotzdem hatte ich Einwanderungspolizei und den Zoll auf senegalesischer Seite in 15 Minuten erledigt und wartete dann nur noch auf die Fähre, um den Senegalfluss zu überqueren. Die nächste Fähre war aber erst für zwei Stunden später angesetzt. Viel Zeit für diverse Personen an der Grenze nochmals Gebühren bei mir einzuheben. Die ersten waren Beamte von der Einwanderungspolizei, die für die Einreise in den Senegal zuständig waren (ich bin zuvor nur bei jenen Beamten, die für die Ausreise aus dem Senegal zuständig sind, vorstellig geworden). Auf deren Anfrage nach Entrichtung einer Gebühr, um den Fluss zu überqueren, meinte ich höflich, dass, sollte es sich hierbei um eine offizielle Gebühr handeln, ich einen Beleg haben will, damit ich auf der Fähre auch vorweisen kann, dass ich eben diese Gebühr entrichtet habe. Darauf folgte eine kurze, prägnante Antwort: "Es gibt keinen Beleg". Worauf eine weitere prägnante Antwort folgte: "Dann gibt es auch kein Geld". Die Einwanderungsbeamten ließen mich dann nur noch wissen, dass ich mich noch wundern würde, sobald mir die Auffahrt auf die Fähre verweigert werden würde. Frech, wie ich inzwischen bin, antwortete ich nur, dass, sollte mir das Auffahren auf die Autofähre verweigert werden, ich in diesem Falle ja genügend Zeit hätte, um diese Gelddiskussion vor Gericht in Dakar weiterzuführen. Damit verließ ich das Polizeigebäude, um weiter auf die Fähre zu warten. Und dieses Warten war beinahe unerträglich, da ich ständig von Menschen umzingelt wurde, die irgendetwas für mich machen wollten (Auto waschen, Geld wechseln, Essen holen etc.). Diese Angebote wurden aber nicht einfach vorgetragen, sondern eher angedroht. Die Aggressivität an diesem Grenzübergang gepaart mit der unerträglichen Hitze (über 40 °C) machten das Warten wirklich zu einer Zerreißprobe. Ich sollte die Fähre schlussendlich aber gar nicht zu Gesicht bekommen, da ich im Zuge des Feilschens und Diskutierens erfahren hatte, dass ich ohne Visum nicht nach Mauretanien einreisen kann. Der Hintergrund war folgender: für alle Länder, die ich im Laufe dieser Reise besucht hatte, organisierte ich das Visum im jeweils vorigen Land. Senegal war die erste Ausnahme, da EU-Bürger für dieses Land kein Visum brauchen. Dasselbe gilt übrigens für Marokko. Hinsichtlich Mauretanien, das zwischen diesen beiden Ländern liegt, war ich mir aber nicht sicher, weshalb ich die Homepage des österreichischen Außenministeriums konsultierte, die darauf hinwies, dass Einreisevisen für Mauretanien direkt an der Grenze gelöst werden können. Am Grenzübergang wurde mir aber nun gegenteiliges gesagt. Ich schaffte es dann eine Telefonnummer eines mauretanischen Grenzbeamten aufzutreiben und erfuhr von diesem, dass das Angebot ein Visum direkt an der Grenze zu lösen seit über zwei Jahren nicht mehr besteht. Da ich schon aus dem Senegal ausgereist war, musste ich nun wieder einreisen. Der Zoll war relativ einfach. Da mein Passagierschein für das Auto noch nicht abgestempelt worden war, wurde mir dieser einfach wieder ausgehändigt. Die Einwanderungspolizei war dann ein wenig schwieriger, weil ich genau zu jenen Herrschaften musste, mit denen ich mich zuvor angelegt hatte - damals noch mit dem Hintergedanken, dass ich mit denen eh nie wieder etwas zu tun haben werde. In Wirklichkeit dauerte die Einreise aber dann nicht mal fünf Minuten. Denn, um weitere Diskussionen zu vermeiden, schnappte ich mir einen von den Burschen, die vorher beim Autowaschen Geld verdienen wollten, steckte im Geld und meinen Pass zu und ließ ihn wissen, dass ich einen Einwanderungsstempel in meinem Pass brauche. Das Geld könne er nach seinem Gutdünken bzw. seinem Verhandlungsgeschick entsprechend, zwischen ihm und der Einwanderungspolizei aufteilen. So waren am Ende alle glücklich und ich fuhr wieder zurück in den Süden, nach Dakar. Im Nachhinein ist mir unverständlich, warum ich nicht gleich auf die mauretanische Botschaft in Dakar gegangen bin. Ich gab meinen Pass am Vormittag ab und konnte mein Visum am späteren Nachmittag abholen - also eine Angelegenheit von sechs Stunden. Da ich nun schon mal wieder die Richtung Süden eingeschlagen hatte, hielt ich nach Erhalt des mauretanischen Visums die Richtung bei und fuhr über Diamniadio in das kleine Fischerdorf Ndayane, um dort mit zwei Strandtagen gebührend Abschied vom Senegal zu nehmen.


Strand von Ndayane
Nach meinem Strandaufenthalt ging es zurück nach Diamniadio, Thiès, Kébémèr und St. Louis von wo aus ich nun eine neue Richtung einschlug, um den abgelegenen Grenzübergang in Diama anzupeilen. Der Vorteil dieses Grenzüberganges war, dass alles ganz stressfrei und ruhig über die Bühne ging. Der Nachteil war, dass auf mauretanischer Seite (noch) keine offizielle Straße zur Verfügung stand. Da am Grenzübergang auf mauretanischer Seite aber mehrere Personen auf eine Mitfahrgelegenheit nach Nouakchott warteten, war auch dieses Problem schnell gelöst. Was ich nicht wusste, war, dass die Sandpiste ghleich hinter dem mauretanischen Grenzdorf Birette in den atemberaubenden Nationalpark Diawling einbog. 


Im Nationalpark Diawling wimmelte es nur so vor Warzenschweinen (Phacochoerus africanus) und die meisten Rotten führten auch noch Jungtiere mit.
Da ich nun aber einen Fahrgast hatte, konnte ich mich leider nicht mehr kurzfristig umentscheiden, und ein paar Tage im Diawling verbringen. Andererseits muss ich aber auch eingestehen, dass ich ohne meinen "local guide", den Weg nach Nouakchott nie gefunden hätte.
Nouakchott als Stadt war mir von Anfang an sympathisch, was aber mehr an der unglaublichen Gelassenheit der Mauretanier lag, als an der Stadt selbst. Und sogar in der Hauptstadt suchte man sich am besten ein Beduinenzelt, lag den ganzen Tag auf den ausgelegten Teppichen herum und schlürfte Pfefferminztee - zumindest schaut so der Tag eines Europäers im Beduinenzelt aus. Der Mauretanier hingegen - um es jetzt einfach mal extrem stereotyp zu formulieren - musste doch hin und wieder das Zelt verlassen, entweder zum Gebet oder zum Verhandeln und Geschäfte abwickeln. So kommt es auch, dass der Großteil der Mauretanier ihr Geld beim Handeln verdient, während die Alltagsarbeiten (Handwerker, Taxifahrer etc.) in diesem Land von Gastarbeitern vor allem aus dem Senegal, aber auch aus Mali und Guinea verrichtet werden. Der unangenehme Part in Nouakchott bzw. in allen Städten in Mauretanien war das Autofahren. Das Autofahren war zwar bedeutend weniger hektisch als in den meisten schwarzafrikanischen Städten, dafür passierten auf Mauretaniens Straßen ständig Sachen, die einfach nicht zu begreifen waren. Meine Theorie ist, dass die Mauretanier erstens keinen Führerschein machen und zweitens in der Wüste das Autofahren lernen. Wer in der Wüste fährt, muss sich vorrangig um die Unterlage, sprich den Sand kümmern, während Begriffe wie Gegenverkehr oder Rückspiegel nicht einmal Fremdwörter sind. Und so war das Autofahren in Nouakchott der reinste Horror, hingegen in einem Straßencafe zu sitzen und dem Verkehr zuzuschauen, die reinste Unterhaltung.
Seit ich in den Senegal eingereist war, traf ich immer mehr Westafrikareisende. Die sympathischste Begegnung hatte ich dann in Nouakchott, wo ich einen Südkoreaner traf, der seit zwei Jahren auf Reisen ist. Das erste Jahr hat er zu Fuß in Asien verbracht, das zweite Jahr auf dem Fahrrad in Europa und Afrika, wo er gerade die Sahara hinter sich gebracht hat und nun auf dem Weg nach Dakar ist, von wo aus er per Schiff nach Südamerika reisen wird, um dort sein drittes und letztes Reisejahr zu verbringen. Das coolste ist aber, dass er die Reise nicht alleine macht, sondern mit seinen beiden Zwillingssöhnen, die mit fünf Jahren sowohl den Himalaya als auch die Sahara schon hinter sich haben und jetzt eben den Amazonas vor sich. Meine Reise ging ja in die entgegengesetzte Richtung und mein nächstes Ziel hieß Nationalpark Banc d'Arguin. Das Dorf am südlichen Eintrittspunkt in diesen Nationalpark nennt sich Mamghar und ist am einfachsten von der Küste her erreichbar. Um schwerwiegendere Probleme zu vermeiden, begaben sich mein Nationalparkführer Dahid und ich noch am Tag vor der Abreise aus Nouakchott an den Strand, um die Gezeiten zu studieren. 


Am Strand in Nouakchott
Am nächsten Tag um 05:00 Uhr bei Ebbe fuhren wir dann am Strand entlang Richtung Norden nach Mamghar und von dort ging es dann durch die Wüste nach Iwik, einem kleinen Fischerdorf im Nationalpark. 


Die Strandfahrt von Nouakchott nach Mamghar im Morgengrauen
Eine Gruppe von Dromedaren (Camelus dromedarius), dem Gold der Mauretanier, in der Nähe von Iwik
Mein Plan war in Iwik ein Fischerboot anzumieten, um die vorgelagerten Inseln zu besuchen. Bei den Verhandlungen mit den Fischern in Iwik musste ich aber feststellen, dass es fast unmöglich ist, diesen Plan in die Realität umzusetzen. Obwohl ich einen meiner Meinung recht guten Preis anbot, bevorzugten die Fischer die Boote fürs Fischen anstatt für Touristen zu verwenden. Im Camp in Iwik lernte ich dann noch den Nationalparkmanager kennen, der gerade mit einer senegalesischen Delegation zu Trainingszwecken in Iwik war. Er teilte mir mit, dass er gestern über 700 Euro Tagesmiete für ein Fischerboot geboten hatte und ebenfalls erfolglos blieb. Damit verstand ich dann auch, warum mein Angebot, dass nicht mal 10% des oben genannten Betrages ausmachte, abgelehnt wurde. Wir mussten beide zur Kenntnis nehmen, dass der Fischfang zu lukrativ war um überhaupt ans "Rumgondeln" von und mit Touristen zu denken. Mir war das eigentlich dann eh egal, weil somit mehr Zeit blieb am Strand oder in der Wüste rumzulungern. Ich stellte dann auch fest, dass die Inseln um Iwik - manche konnte ich ja mit meinem Fernglas ein wenig einsehen - ,die berühmt sind für diverse Vogelarten (verschiedene Reiherarten, Löffler etc.), die hier anscheinend massenhaft auftreten sollen, fast vogelleer waren. Die meisten der Vögel dieses Nationalparks hatten mich abgehängt und waren im Gegensatz zu mir schon seit einigen Wochen in Europa. Bei meinem Nationalparkführer stellte ich recht bald mangelndes zoologisches Interesse fest. Seine Vorzüge lagen eher in der Navigation durch die Wüste. Deshalb wurden auch die Plätze getauscht, sobald ich rausfand, dass er einen Führerschein hatte. Dies vereinfachte mir während der Fahrt Ausschau nach Wüstenbewohnern zu halten. Sobald wir in den Camps ankamen, suchte mein „guide“ das nächste Beduinenzelt zum Teetrinken und ich die Wüste sowie die Küste, um diese zu Fuß zu erkunden:


Säuger: Feldrennmaus (Gerbillus campestris), Goldschakal (Canis aureus) und Gemeiner Delfin (Delphinus delphis).


Eine Feldrennmaus (Gerbillus campestris), die ich in der Nähe von Arkeiss entdeckt habe
Ein Goldschakal (Canis aureus), wiederum in der Nähe von Arkeiss
Vögel: Kormoran (Phalacrocorax carbo), Rosapelikan (Pelecanus onocrotalus), Graureiher (Ardea cinerea), Küstenreiher (Egretta gularis), Löffler (Platalea leucorodia), Fischadler (Pandion haliaetus), Rosaflamingo (Phoenicopterus ruber), Regenbrachvogel (Numenius phaeopus), Sanderling (Calidris alba), Heringsmöwe (Larus fuscus), Dünnschnabelmöwe (Larus genei), Graukopfmöwe (Larus cirrocephalus), Zwergseeschwalbe (Sterna albifrons), Lachseeschwalbe (Gelochelidon nilotica), Königsseeschwalbe (Sterna maxima), Raubseeschwalbe (Sterna caspia), Mauersegler (Apus apus), Haussegler (Apus affinis), Wüstenläuferlerche (Alaemon alaudipes), Rauchschwalbe (Hirundo rustica), Mehlschwalbe (Delichon urbica), Saharasteinschmätzer (Oenanthe leucopyga), Wüstenrabe (Corvus ruficollis), Haussperling (Passer domesticus), und weitere Vögel (vor allem Möwen und Seeschwalben), die ich nicht zu bestimmen vermochte.


Raubseeschwalben (Sterna caspia) im Vordergrund und Rosapelikane (Pelecanus onocrotalus) im Hintergrund am Cap Blanc
Heringsmöwe (Larus fuscus) in Iwik
Sanderling (Calidris alba) an der Baie de l'Étoile
Ein Saharasteinschmätzer (Oenanthe leucopyga) im Garten meiner Unterkunft in der Baie de l'Étoile

Reptilien: Wüstenwaran (Varanus griseus), Goldfransenfingerechse (Acanthodactylus aureus).

Ein noch relativ kleiner Wüstenwaran (Varanus griseus) in der Nähe von Arkeiss
Goldfransenfingerechse (Acanthodactylus aureus) in Iwik
Von Iwik ging es nach wie vor innerhalb des Nationalparks nach Arkeiss, einem weiteren Fischerdorf, das an einer unglaublich idyllischen Atlantikbucht liegt. Hier gab es dann auch tatsächlich ein paar Badeurlauber und vor allem Touristen, die zum Angeln hierherkamen. 


Die Bucht von Arkeiss, ein Bade- und Angelparadies in mitten des mauretanischen Nirgendwo
Das Beduinenzelt, das für Dahid und mich als Unterkunft diente, lag direkt an dieser Bucht. Bei meiner Ankunft wurde ich sogleich von meinen angelnden Zeltnachbarn begrüßt, wenn auch etwas mürrisch. Wie schon öfters in Mauretanien wurde ich auch hier wieder gefragt, ob ich Marokkaner bin. Als ich dies verneinte, meinten die beiden Angler etwas herablassend "Ah, ein Franzose". Man weiß ja nie, wen man auf solchen Reisen trifft, aber, dass ich in einer wirklich extrem abgelegenen Region in Mauretanien zwei angelnde, algerische Nazis treffen würde, hat mich dann doch überrascht. Ja und so zauberte meine Antwort "Nein, ein Österreicher" ein Lächeln auf die Gesichter der beiden Algerier. Während meines ganzen Aufenthaltes wurde ich von den Algeriern zum Essen eingeladen. Einer der beiden war ein leidenschaftlicher Koch und, dass sie zum Angeln hier waren, hatte ich ja schon erwähnt. Ich durfte also in der "Metropole" Arkeiss gehobene Küche genießen. Die Themen Adolf Hitler und die Shoa wurden natürlich heftigst diskutiert, wenn gleich mich die Algerier nicht ernst nahmen. Ihrer Meinung nach konnte man dieses Thema mit Österreichern und Deutschen sowieso nicht diskutieren, da wir von den Siegermächten ge"brainwahsed" worden waren. Ich schaffte es zumindest so weit, dass manche meiner Argumente toleriert wurden, gebe aber auch zu, dass ich im Gegenzug einiges gelernt habe, vor allem über den Afrikafeldzug und den Wüstenstrategen Rommel.
Trotz des guten Essens in Arkeiss ging es am nächsten Tag wieder zurück in die Wüste. und von dort nach Nouadhibou


Abschließende Wüstenfahrt
Nouadhibou war die zweite Großstadt, die ich in Mauretanien besuchte, wenn gleich ich mich weniger für die Stadt, als die angrenzenden Gebiete des Cap Blanc und der Baie de l'Étoile interessierte. Beide Gebiete liegen zwar außerhalb des Nationalparks Banc d'Arguin, gelten aber als Satellitenstandorte desselben. Das Cap Blanc besuchte ich vor allem aufgrund der dort vorkommenden Mittelmeermönchsrobben, von denen ich leider keine zu Gesicht bekam. Dafür sah ich hier eine Gruppe Delfine und etliche aufgelaufene Schiffe - die Arguinsandbank gilt als eine recht gefährliche Stelle für die Schifffahrt. Das bekannteste aufgelaufene Boot war die Méduse (1816). Der Kannibalismus, zu dem es im Laufe dieser Katastrophe kam, ist eine der beliebtesten, wenn auch makabersten Geschichten in dieser Region. 


Ein 2003 aufgelaufenes Schiff - mehrere Versuche, das Schiff wieder in tiefere Gewässer zu ziehen blieben erfolglos

Die Baie de l'Étoile diente mir als abgelegene und daher sehr ruhige Unterkunft, während meiner letzten Tage in Mauretanien. Denn von hier begab ich mich nach Gueguarat an die Grenze Mauretaniens mit der Westsahara. Und damit ging der relative kurze Aufenthalt in Mauretanien zu Ende, das vor allem durch seine Gastfreundschaft herausstach. Unvergesslich als Dahid und ich in der Wüste (bei entsprechenden Temperaturen) nach dem Dünenfahren die Reifen wieder aufpumpten und zufälligerweise Beduinen vorbeikamen, die, so kam es zumindest mir vor, glücklich waren, Menschen gefunden zu haben, denen sie mir ihrer Gastfreundschaft aufwarten konnten. Und so kam ich dann zu meiner ersten Kamelmilch, die auch noch unglaublich gut schmeckte.
Der Grenzübertritt nach Marokko verlief unspektakulär, bis auf die Tatsache, dass ich das Niemandsland zwischen Mauretanien und der Westsahara (ca. 4 km) alleine durchqueren musste. Das "Alleine-Fahren" war nicht wirklich das Problem, sondern die mehrfach vorgetragenen Ratschläge, dass ich ja nicht die Hauptpiste verlassen soll, weil die ganze Grenzregion vermint ist. Auf meine Frage, ob den die Hauptpiste auch gut als solche erkennbar ist, wurde mit einem "mehr oder weniger" geantwortet. Deshalb entschied ich mich dafür zu warten, um hinter einem anderen Auto oder LKW Richtung Westsahara zu fahren. Zu meinem Pech schien es aber so, als wollte an diesem Tag niemand Richtung Norden fahren. Also fuhr ich ohne Konvoi aber dafür mit einem eher mulmigen Gefühl vom mauretanischen Grenzposten zum marokkanischen. An zwei Stellen auf diesen vier Kilometern wartete ich auf Gegenverkehr, der mir bei der Entscheidung, ob links oder rechts, doch eine recht große Entscheidungshilfe war. Der marokkanische Teil des Grenzübertrittes war eigentlich nicht sehr kompliziert, dauerte aber ewig, weil noch sehr viele LKWs vom Vortag auf die Abfertigung warteten. Neben den Standardprozeduren bei der Einwanderungspolizei und dem Zoll gab es hier noch zwei zusätzliche Kontrollen: die Drogen- und Sprengstoffspürhunde und den Autoscanner. Während des Scannes musste ich dann noch hoch und heilig versprechen, dass ich die Souveränität des marokkanischen Staates und seiner Grenzen anerkenne und das alles nur, weil ich blöderweise meinen Straßenatlas offen im Auto liegen hatte lassen. In meinem Straßenatlas gibt es zwischen Mauretanien und Marokko ein Gebiet, das als eigener Staat ausgewiesen ist und sich Westsahara nennt. Und deshalb wurde ich von den Beamten, die für diesen Scanner zuständig waren, als potentieller Separatist und Polisariosympathisant identifiziert. Aber ich windete mich auch aus dieser Situation heraus mit dem Resultat, dass ich das vor mir liegende Land erst recht nur noch als Westsahara und nicht als Marokko bezeichnen würde. Aufgrund der Verzögerungen musste ich dann auch in der Grenznähe übernachten und zwar in Bir Gandouz. Von dort ging es dann für über 1000 Kilometer durch Steinwüste: El Abourou, Tamayye, Boujdour, Laâyoune auf Westsaharaseite und Tarfaya, und Tan-Tan auf marokkanischer Seite. 


Ganz normale Kilometerangaben entlang der Nord-Süd-Verbindung in der Westsahara
Obwohl ständig vor Kamelüberquerungen gewarnt wurde, so bekam ich in der Westsahara nur ein einziges Mal welche zu Gesicht. Ich schätze mal, dass großflächig Minen ausgelegt wurden, was das Halten von Dromedaren ein wenig unattraktiv macht.
In Mauretanien war das durch die Wüste fahren ja noch irgendwie lustig und spannend, weil neu. In der Westsahara ging mir das dann schon furchtbar auf die Nerven. Ich war schon dankbar, wenn endlich wieder mal eine kleine Kurve auftauchte und ich wieder etwas zu tun hatte, auch wenn es nur das Lenkradbewegen war. Ich lernte auf meiner Reise ja einige Wüstenliebhaber kennen (z.B. den Organisator des Jazzfestivals in Basel, der, ich glaube es war in den 80er Jahren, zwei Jahre lang zu Fuß von Nouakchott nach Timbuktu spazierte), muss aber ehrlich zugeben, dass ich diese Begeisterung nicht wirklich teilen kann. Da ist mir der üppige, tropische Regenwald in West- und Zentralafrika doch um ein Vielfaches lieber. Erstens trifft man da mehr Menschen und zweitens ist das Reisen viel spannender, weil hinter jeder Kurve etwas Unerwartetes lauern kann. In der Wüste hast du hinter jeder Düne wieder eine Düne oder einfach nur Sand, der sich nicht in Form einer Düne angesammelt hat. Aber Geschmäcker sind bekannterweise verschieden. Trotzdem konnte ich immer weniger verstehen, warum man sich gegenseitig die Köpfe einhaut, um rauszufinden, wer diesen Sand verwalten darf, denn Rohstoffe, außer ein wenig Phosphat, gibt es in dieser Gegend nicht wirklich. Aber so wie die Geschmäcker verschieden sind, so muss man auch nicht alles auf dieser Welt verstehen. Die wenigen Menschensiedlungen, die auf meinem Weg durch die Westsahara entlang der Straße lagen, waren auch sehr farblos. Diese waren zwar sehr modern und mit viel Geld aufgebaut worden (Marokko investiert ja unglaublich viel Geld in diese Region), entbehren aber jeglichen Charmes. Die einzige Ausnahme war Laâyoune, die Hauptstadt der Westsahara. Laâyoune wurde im Gegensatz zu vielen anderen Orten nicht in irgendeinem Büro designt worden, sondern ist eine gewachsene Stadt, mit Menschen, Märkten, Cafés, Restaurants, einfach eine lebendige Stadt. Wenn ich als Vergleich dazu Boujdour nehme, das, obwohl eigentlich auch eine historisch gewachsene Stadt, schön symmetrisch (ein wenig wie amerikanische Vorstädte) angelegt wurde, mit einer dreispurigen Stadtautobahn, auf der du schon mal 30 Minuten warten musst, damit du die drei Spuren mit einem zweiten Fahrzeug teilen darfst und damit auch gleichzeitig einen Menschen zu Gesicht bekommst. Die Westsahara war also landschaftlich sehr langweilig und zu meiner Verwunderung war es auch richtig kalt. Ich ging ja davon aus, dass ich irgendwann im Laufe meiner Reise die Fenster hochkurbeln würde, um die Klimaanlage anzumachen, weil die Hitze nicht mehr auszuhalten ist. Ich schloss hier die Fenster aber zum ersten Mal auf meiner Reise, und zwar um die Heizung anzumachen. Auf marokkanischer Seite änderte sich dann alles nach und nach. Als erstes tauchten immer mehr Wadis auf, die der Landschaft Struktur verliehen. Und als ich dann von Tan-Tan über Goulmine und Bouzakarne nach Tiznit fuhr, fand ich mich plötzlich auf richtigen Serpentinenstraßen wieder, die mich über die Vorboten des Antiatlas führten. Von Tiznit ging es über Aït Melloul nach Taroudannt, meinem ersten richtigen Aufenthalt seit ich Mauretanien verlassen hatte. Taroudannt als meinen ersten Aufenthaltsort in Marokko auszuwählen war eine goldrichtige Entscheidung. Taroudannt ist eine Kleinstadt mit viel Geschichte (Stadtmauern aus dem 14. Jahrhundert und Kasbah und erweiterte Stadtmauern aus dem 16. Jahrhundert) und liegt in einer landwirtschaftlich sehr ertragreichen Gegend. Nach so viel Kargheit während der letzten fast 3000 Kilometer, zogen mich die Gemüse- und Obstmärkte fast magisch an. Überall konnte man frisch-gepressten Orangen- oder Pfirsischsaft trinken und obwohl Marokko ab Mitte Juli fast im Tourismus untergeht, war in Taroudannt alles im erträglichen Bereich. Außerdem liegt diese Stadt schon im Hohen Atlas, weshalb sie ein wirklich schönes Bergpanorama zu bieten hat - und ich sah meinen ersten Schnee seit mehr als zweieinhalb Jahren. 


Ein Teil der Stadtmauer von Taroudannt
Die Region um Taroudannt gilt auch ein wenig als Geheimtipp fürs Bergwandern, da die Berge weit weniger touristisch erschlossen sind als zum Beispiel die berühmte Jebel Tobkal-Region. Mit meinem Bergführer Mustapha wollte ich den Jebel Aoulime (3.555 m) besteigen. Als wir über 2.000 m waren, die Temperaturen immer noch klar über 30 °C betrugen und wir unsere Wasserflaschen schon mehrmals nachgefüllt hatten, fielen wir die Entscheidung die Besteigung zu annullieren und stattdessen eine kleine Rundwanderung zu machen, die uns erlaubte ständig in Wassernähe zu bleiben. 


Eines von vielen Berberdörfern im Hohen Atlas
...zu einer Wanderung im Atlasgebirge gehört natürlich auch das Atlashörnchen (Atlantoxerus getulus)
Zurück in Taroudannt packte ich dann meine Sachen, um quer durchs Atlasgebirge zu fahren, namentlich nach Olad Berhil, Tizi-n-Test und Asni mit dem Fahrziel Marrakesch


Das Panorama auf meiner Fahrt von Taroudannt nach Marrakesch
Die Mosche von Tinmel, das ebenfalls auf der Atlasstraße von Taroudannt nach Marrakesch liegt, wurde im 12. Jahrhundert erbaut.
Prinzipiell ist das Fahren seit ich Mauretanien verlassen hatte, sehr angenehm, weil es sowohl in der Westsahara als auch in Marokko Straßenschilder gibt und du bei Kreuzungen immer genau weißt, welche Straße wo hin führt. Die einzige Ausnahme sind die Städte, in denen es keine Wegweiser mehr gibt und auch keine Straßennamen bzw. solltest du einen Straßennamen auf irgendeinem Schild finden oder von einem Passanten mitgeteilt bekommen, nutzt dieser nicht viel, weil die Straße in deiner Karte mit fast 100%iger Sicherheit einen anderen Namen hat. Marrahesch war diesbzgl. das bisher Schlimmste. Und während dem Versuch dich zu orientieren, musst du auch gleichzeitig Acht geben auf die unzähligen Moped und Fahrradfahrer, Pferdekutschen, Touristen, die von vornherein was anderes zu tun haben, als auf den Verkehr zu achten und natürlich die lokalen Taxifahrer, die sich überall durchquetschen. Ich falle dann noch zusätzlich unangenehm auf, weil ich es einfach noch gewohnt bin, bei Gefahr die Hupe zu betätigen, was ich seit dem Grenzübertritt Senegal-Mauretanien abstellen hätte sollen, bisher aber noch nicht geschafft habe. Und so bin ich hupend und fluchend in Marrakesch angekommen und meine Meinung über diese Stadt hat sich auch bis jetzt (obwohl ich inzwischen als Fußgänger unterwegs bin) nicht geändert. Deshalb versteckte ich mich auch hauptsächlich im Hotel und in Cafés anstatt das klassische Touristenprogramm abzuspulen und freue mich auf morgen, den Tag an dem ich diese Stadt verlassen werde. In welche Richtung habe ich noch nicht entschieden. Zur Auswahl stehen der direkte Weg nach Fès oder nochmals in das Atlasgebirge zu fahren und über Ouarzazate und Tinerhir nach Fès zu fahren. Wahrscheinlich wird die Entscheidung davon abhängen, welche Ausfahrt ich zuerst finde. Nach Fès geht es dann an die Mittelmeerküste, um ein Boot zu finden, das mich und mein Auto über die Straße von Gibraltar führt.