Donnerstag, 8. März 2012

Von Togo nach Ghana

Wie in meinem letzten Eintrag angekündigt, ging es vorerst zurück ins Atakora, und zwar von Kara über Niamtougou und Kandé nach Koutammakou. In Koutammakou wurde ich beim Dorfchef vorstellig und holte mir die Erlaubnis ein, ein "tata" von Innen anzuschauen.

Der Dorfchef von Koutammakou
Tatas in Koutammakou
Die tatas sind zweistöckig angelegt, wobei unten die Tiere (Ziegen, Hühner etc.) gehalten werden, im Zwischengeschoß eine Kochnische eingerichtet ist und sich im Obergeschoß drei Schlafnischen befinden: eine für den Mann, eine für die Frau und eine für die Kinder. Der primäre Zweck der "tatas" lag in der Verteidigung: Im Aufgang vom Erd- zum Obergeschoß gab es eine eigene Nische für die Hunde, zwischen der Schlafnische des Mannes und jenem Teil, wo die Ziegen und die anderen Tiere untergebracht wurden, gab es eine Verbindung, über die Pfeile abgeschossen werden konnten und im Obergeschoß gab es eine Kornkammer für den Fall, dass das "tata" belagert werden würde. Zusätzlich installierte man diverse "Erdhügel" vor den „tatas“, die die Gebäude und deren Einwohner auch vor nicht-physischen Angreifern beschützten.

Eine der Schlafnischen
Die Kornkammer
Abschied aus Koutammakou
Von Koutammakou ging es dann über Kandé wieder zurück nach Niamtougou, um von dort über Kouméa nochmals ins Atakora einzutauchen: Pittah, Pya (Geburtsort der Präsidentenfamilie Gnassingbé Eyadéma), Lassa, Soumdina, Landa, Feuda, Eli Malinda. Schlussendlich schaffte ich es aber diese wunderschöne Gegend zu verlassen und fuhr zurück nach Kara, um über Sokodé, Sotouboua, Atakpamé, Notsé und Tsévié in die Hauptstadt Lomé zu gelangen. In Lomé organisierte ich mein Visum für Ghana und vertrieb mir die Wartezeit am idyllischen Stadtstrand.

Strand in Lomé
Als ich mein Visum für Ghana in der Tasche hatte, machte ich mich nochmals Richtung Osten (beninische Grenze) auf. In Agbodrafo, einem kleinen Ort eingebettet zwischen Atlantik und Togosee stieg ich für ein paar Tage bei Mama Irma im Hotel Safari ab. Mama Irma ist eine Schweitzerin (Jahrgang '37), die seit vier Jahrzehnten im Togo weilt. Natürlich hatte Mama Irma viel zu erzählen und ich genoss es in dieser relaxten Atmosphäre entweder morgens bei Tee oder abends bei einem Bier ihrer Lebensgeschichte zu lauschen oder einfach nur Afrika-Erfahrungen auszutauschen. Schön war natürlich auch, dass ich mich endlich wieder mal unterhalten konnte, ohne dass eine Fremdsprache (Deutsch, Englisch oder Französisch) zum Einsatz kam. Von Agbodrafo ging es zurück nach Lomé und von dort über Keve ins Togogebirge und zuerst mal auf den "Berg" Agou, der höchsten Erhebung Togos - immerhin ganze 986m. Ich hatte schon zuvor beschlossen, auf dem Berg zu übernachten, stellte bei meiner Ankunft jedoch fest, dass der Berg militärisches Sperrgebiet war, um den togolesischen Fernsehturm, der sich gleich neben dem "Gipfel" befand, zu beschützen.

Mount Agou mit Fernsehturm
Ich besprach mein Vorhaben mit zwei Militärs, die mir die Erlaubnis zum Campieren ohne große Diskussionen erteilten. Nachdem ich am Gipfel erst fotografiert, gelesen und dahin gedöst hatte, begann ich um 18:00 das Zelt aufzubauen. Wie nicht anders zu erwarten kam genau in diesem Moment einer der Militärs auf mich zu, den ich bis dahin noch nicht gesehen hatte und der sich als Chef der Truppe vorstellte. Und eben dieser Chef teilte mir dann mit, dass es illegal wäre hier zu campieren, aber, dass er kein Unmensch sei und man sich arrangieren könnte. Ich, unwillig auch nur einen Francs zu bezahlen und auch unwillig mich in Diplomatie zu versuchen, teilte dem Kommandierenden mit, dass, es nichts zu arrangieren gäbe: entweder wäre das Zelten nicht illegal, sondern es geht hier nur um irgendwelche persönlichen Befindlichkeiten (weil ich nicht zuerst mit dem Befehlshaber sprach, sondern eben mit einigen Untergebenen) oder das Zelten ist wirklich illegal. In diesem Falle könnte er als Verantwortlicher des togolesischen Militärs doch nicht erlauben, dass da Ausnahmen gemacht würden. Naja, damit war die Diskussion dann auch beendet und ich musste den Agou verlassen. Übernachtet hatte ich schließlich in Kpalimé. Von Kpalimé ging es dann über Adéta weiter nach Dzogbégan, wo ich mich in einem Benediktinerkloster einquartierte. Ich verbrachte die Zeit damit durch die benachbarten Dörfer zu wandern und in den Kaffe- und Kakaoplantagen des Klosters einfach die Seele baumeln zu lassen. Frühstück, Mittag- und Abendessen wurden gemeinschaftlich im Speisesaal eingenommen, was einerseits nett war, andererseits auch recht bizarr, weil während dem Essen nicht geredet werden durfte. Es herrschte entweder Stille oder es wurde irgendeinem katholischen Radiosender gelauscht, der ohne müde zu werden, Bibelzitat um Bibelzitat rezitierte. Nach dem Essen wurde gemeinschaftlich abgewaschen - eigentlich auch ganz nett, aber wieder ohne ein Wort zu wechseln. Sobald der Speisesaal aber verlassen wurde ging es los: während ich es schon gewohnt war, dass in den Dörfern die Kinder auf mich losgestürmt kommen, um mich mit Fragen zu löchern oder zumindest nach einem Geschenk zu fragen, war es dieses Mal so, dass die jungen Novizen mir nachrannten, um mich mit Fragen zu löchern. Es schien, als wäre ich in dieser doch eher abgelegenen Gegend, eine willkommene Abwechslung. Die Novizen konnten es nicht fassen, dass ein Weißer alleine durch Afrika reist und dann auch noch durch solche abgelegenen Gegenden fährt, ich hingegen konnte es, als überzeugter Atheist, nicht fassen, dass man sich schon in so jungen Jahren dafür entscheidet, sein ganzes Leben einem Gott zu widmen. Einem Gott, der bis vor gar nicht so wenigen Generationen, noch nicht mal ihr Gott war. Dieses auf beiden Seiten vorhandene "Nicht-fassen-können“ führte aber zu wirklich interessanten Gesprächen. Wieder um eine Lebenserfahrung reicher ging es dann zurück über Adéta nach Kpalimé. In Kpalimé gab es interessanterweise eine recht entwickelte touristische Infrastruktur, die es Touristen erlaubte, das umliegende Togogebirge zu bewandern und zu erleben. Mich persönlich hat das aber eher genervt, weil du keinen Schritt machen konntest, ohne dass ein potentieller "guide" zur Stelle war, der dir dieses und jenes zeigen wollte. Mein Plan war - ohne "guide" - nach Kouma-Konda zu fahren, um den Mt. Klouto zu besteigen. Als ich aber in Kouma-Konda ankam, hatte ich schon unzählige Diskussionen mit potentiellen "guides" und der Gendarmerie hinter mir, so dass ich mich entschloss den nächst möglichen Grenzübergang zu suchen, um mich nach Ghana abzusetzen. Dieser Grenzübergang war auch keine 15 Minuten entfernt und so setzte ich in Dafor von Togo nach Ghana über. Leider stellte sich raus, dass ich mit einem Auto aus einem zentralafrikanischen Land nicht in Dafor nach Ghana einreisen dürfte, sondern einen Grenzübergang weiter im Süden zu wählen sei. Das Problem war, dass der Zoll in Dafor nicht die Berechtigung hatte ausländische (sprich nicht-westafrikanische) Autos nach Ghana einreisen zu lassen. Nach zweistündigen Diskussionen zu diesem Thema konnten wir uns darauf einigen, dass ich nicht zurück in den Togo fahren muss (weil auch kein gültiges Visum mehr für dieses Land vorhanden war), dafür aber einer der Zöllner mich in die nächste, größere Stadt begleitet, um dort die notwendigen Formalitäten zu erledigen. Also fuhren Martin, ein leicht übermotivierter Jungzöllner, und ich nach Ho - eine 1,5 Stunden Autofahrt mit dem Resultat, dass ich nun fast die gesamten Gesetzestexte zum Thema Zoll in Ghana auswendig kenne. In Ho ging die Suche nach einer Lösung für meine gabuner Autonummertafel weiter. Nach insgesamt sechs Stunden Diskussionen hatte ich dann plötzlich meinen Passagierschein fürs Auto in den Händen - ohne auch nur einen Cedi Motivationsgeld zu bezahlen und vor allem ohne zu verstehen, warum es dann am Ende doch funktioniert hat. Das war aber egal, weil nun mein Auto, so wie ich ein 1-Moantsvisum für Ghana hatte. Am darauffolgenden Tag ging es dann weiter Richtung Süden durch die Shai Hills, um über Tema nach Accra zu gelangen.

In meinem Eintrag vom 16. Dezember 2011 hatte ich meine Reiseroute gepostet. Aber in Accra angekommen, begab ich mich nicht auf die burkinabische Botschaft, sondern suchte die Vertretung der Elfenbeinküste auf. Bisher hatte ich alle meine Visen innerhalb von 30 Stunden erhalten. Jenes für die Elfenbeinküste dauerte insgesamt eine Woche, auch deshalb, weil hier zum Teil Dokumente benötigt wurden, die die Botschaften Kameruns, Nigerias, Benins, Togos oder Ghanas nie haben wollten. Aber ich habe das Visum inzwischen. Weil ich aber nicht vorhabe nach Abidjan zu reisen, begann ich auch gleich das Visum für Liberia in Accra zu organisieren. Auch dieses Visum scheint nicht so einfach zu sein. Trotzdem schaffte ich es, dass mein Visumsantrag heute angenommen wurde. Für den kommenden Montag erhielt ich zumindest einen Vorstellungstermin, der hoffentlich Früchte tragen wird. Sobald ich mein Visum für Liberia erhalten habe, geht es zurück nach Ho, um am Voltasee entlang nach Norden, nach Tamale zu fahren. Von Tamale aus versuche ich dann einen Weg nach Chache zu finden, um dort in die Elfenbeinküste einzureisen. Bis das Visum für Liberia erledigt ist, bleibe ich in Accra. Accra ist die erste Stadt auf meiner Reise, in der es Spaß macht, so was wie "sightseeing" zu betreiben. Auf der anderen Seite ist es auch eine unglaublich große und deshalb sehr stressige Stadt. Glücklicherweise, habe ich ein recht zentral gelegenes "guesthouse" gefunden, dass trotz der guten Lage so versteckt ist, dass ich seit einer Woche mehr oder weniger der einzige Gast bin. Die ganzen Verzögerungen aufgrund der Visenanträge führte dazu, dass ich den 06. März, den "independence day" Ghanas in Accra miterleben durfte - zumindest theoretisch. Die Festlichkeiten mit Ansprache des Präsidenten John Ata Mills am "independence square" starteten offiziell um 08:00. Ich als alter Gabuner wusste, dass es früh genug war, mich um 11:00 auf den Weg zu machen. Das Ergebnis ist, dass ich heute weiß, dass Ghana nicht Gabun ist. Anstatt dem Festakt beizuwohnen, durfte ich bei den Aufräumarbeiten zuschauen und erfahren, dass die Zeremonien am "indpendence square" wirklich um 08:00 angefangen hatten.

... und da waren sie schon weg; "Independance Day" am Unabhängigkeitsplatz
Ich schreibe diese Anekdote auch deshalb, um kurz aufzuzeigen, dass Ghana, auch wenn ich erst seit knapp einer Woche hier bin und das deshalb vielleicht nicht entsprechend beurteilen kann, im Vergleich zu allen anderen Ländern, die ich auf dieser Reise durchquert habe, richtig gut organisiert ist. Es macht auch Spaß ghanaische Zeitungen zu lesen, da es hier einen richtigen, demokratischen Diskurs unter den verschiedenen "playern" zu innen- und außenpolitischen, sowie sozialen Themen gibt. Ich habe hier zum ersten Mal das Gefühl in einem afrikanischen Land zu sein, dass den Weg aus dem "Sumpf" schaffen könnte. Ich würde es den unglaublich freundlichen Ghanaern wünschen.