Dienstag, 22. Mai 2012

Von Liberia nach Sierra Leone

Rückblickend betrachtet hat Monrovia, so wie eigentlich das ganze Land Liberia es nicht geschafft mein Herz zu gewinnen. Seit meiner Abreise aus Gabun reizte ich die Aufenthaltsdauer in den bisher bereisten Ländern bis zum Maximum aus. In Monrovia beschloss ich, mich möglichst schnell auf meinen Weg an die sierra-leonische Grenze zu begeben. Es ist zwar nichts Gravierendes passiert, aber ich habe einfach nie einen richtigen Zugang zu den LiberianerInnen gefunden. Die einzige amüsante Geschichte aus Monrovia passierte auf der Rückfahrt von der Botschaft Sierra Leones zurück in meine Unterkunft, sprich ins "Kloster" in der Randall Street. Nach ca. 30 Minuten Fahrt hatte ich so ein Gefühl, dass mein Motorradtaxifahrer sich nicht wirklich dem von mir vorgegebenen Ziel näherte. Als ich ihn darauf ansprach, bekam ich ein verlegenes "Je ne parle pas anglais" zur Antwort. Die Tatsache, dass ich die gleiche Frage nochmals auf französisch formulieren konnte, schien den Taxifahrer unglaublich zu erleichtern. In der Folge erfuhr ich, dass mein Chauffeur vor zwei Tagen aus Guinea nach Monrovia gekommen war, er aber kein Wort Englisch spricht und deshalb seit seiner Ankunft noch keine richtige Unterhaltung geführt hatte und, dass er als Motorradtaxifahrer sein Geld verdienen will, Monrovia aber leider überhaupt nicht kennt. Er schlug also vor, dass ich ihm erkläre, wie wir zu der von mir gewünschten Destination gelangen. Diesen Vorschlag musste ich leider ablehnen, da ich die Stadt genauso wenig kannte. Ich nutze aber die Gelegenheit Informationen über Guinea zu erhalten, das ja noch auf meiner Reiseroute steht und suchte mir amüsiert von dieser absurden Begegnung einen liberianischen Taxifahrer mit den notwendigen Kenntnissen hinsichtlich des lokalen Straßennetzes. In meinem letzten Blogeintrag erwähnte ich die Umtriebigkeit, die zu später Stunde in Monrovia herrscht. Im Laufe meines weiteren Aufenthaltes in Monrovia stellte ich dann fest, dass diese Geschäftigkeit nur wenige Stunden anhält und allen voran die Randall Street, in der ich meine Herberge gefunden hatte, anschließend zu einer öffentlichen Schlafstätte wird - vor allem für die unzähligen Bürgerkriegsinvaliden und die Straßenkinder Monrovias. Das war dann auch meine letzte Nacht, in der ich außerhalb meiner Unterkunft herumstreunte. Dass so viele Menschen in dieser Stadt ein so unwürdiges Dasein fristen müssen, ist die eine Sache, dass ich dann aber auch noch (ich habe ja schon von der fehlenden Elektrizitätsversorgung berichtet) über beinamputierte Kriegsinvaliden stolpern oder auf schlafende Straßenkinder drauf steigen musste, empfand ich dann doch als eher unnötig - und deshalb die Entscheidung nachts nicht mehr auf Monrovias Straßen herumzustreunen. Stattdessen verbrachte ich die letzten zwei Nachmittage am Strand in Monrovia, der nur eine Minute Gehzeit von meiner Unterkunft entfernt war.

Sonnenuntergang in Monrovia
Theoretisch war der Strand unglaublich schön, praktisch wurde der Großteil davon als öffentliche Müllhalde benutzt und jener Teil, der nicht mit Müll beladen war, diente als Toilette. Ich denke, ich muss hier nicht mehr erwähnen, dass das Datum der Aushändigung meines Visums für Sierra Leone mit dem Datum meiner Abreise aus Monrovia übereinstimmt. Wie ich aber an diesem Tag feststellen musste, war die Einreisegenehmigung für mein Auto für vier Tage später angesetzt. Folglich fuhr ich nicht direkt an die Grenze, sondern über Freeport, Brewerville und Kle ins malerische Robertsport, das zwischen Atlantik und dem Pisosee eingebettet ist. In Robertsport verbrachte ich dann noch versöhnliche vier Tage zwischen Lesen & Strand und vielen netten Gesprächen mit der Bevölkerung in Robertsport.

Mein ganz persönlicher Strand in Robertsport
Eine der vielen Rotflügelbrachschwalben (Glareola pratincola), mit denen ich den Strand in Robertsport teilen musste.
Am vierten Tag ging es dann Richtung Grenze, wobei ich für eine Kurzbesuch im kleinen Dorf Tosor anhielt. In Tosor hat sich der Musiker Shaalti Levi Massoud, ein in der Schweiz lebender, israelischer Oud-Spieler, einquartiert. Ich hatte Shaalti in Robertsport kennen gelernt und erfahren, dass er schon seit weit über einem Jahr in Westafrika herumfährt. Die Stipvisite in Tosor hatte einfach den Zweck ein wenig zu tratschen und Geschichten auszutauschen. Ich hatte dann noch die glorreiche Idee mit einem Kanu auf den Pisosee rauszufahren. Die Bootstour war auch wunderschön - bis zu dem Zeitpunkt als wir kenterten. Das Kentern lief zwar fast in Zeitlupe ab, aber mitten auf dem See nutzte das auch nichts. Ich hatte aber genügend Zeit, um mich an meinen letzten Aufenthalt im Waka-Nationalpark in Gabun zu erinnern. Damals fiel ich in den Fluss, was den Verlust meiner gesamten Fotoausrüstung zur Folge hatte. Dieses Mal hatte ich noch mehr Ausrüstung dabei: Kamera um den Hals, Objektive und weiteres Kamerazubehör im Rucksack auf dem Rücken, Fernglas in der Hand, Mobiltelefon und USB-Stick (warum auch immer der mit auf die Bootstour musste) in der Hosentasche. Wie schon erwähnt, das Kentern verlief zumindest nicht schnell und ich entschied mich dafür, die Kamera und die dazugehörende Ausrüstung zu retten bzw. zu versuchen zu retten. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, aber als das schon recht gut mit Wasser angefüllte Kanu kippte und ich in den See fiel, wurden die Kamerasachen mit der linken Hand in die Höhe gestemmt, während die rechte Hand, mit Fernglas bestückt, zum schwimmen gebraucht wurde. Relativ schnell, aber doch zu spät für das Fernglas fand ich heraus, dass das Wasserniveau des Sees nur bis zum Bauchnabel reichte. Dass mein Telefon inzwischen ertrunken war, bemerkte ich erst, als wir wieder an Land waren. Und wieder um eine Geschichte reicher ging es dann endgültig von Tosor nach Bo (Waterside), an die liberianisch-sierra-leonische Grenze. Ich erreichte Bo gegen 16:00 und gegen die Empfehlung der liberianischen Zöllner, die mir versicherten, dass ich noch genügend Zeit hätte (die Grenze wird um 18:00 geschlossen), suchte ich mir eine Unterkunft. Am nächsten Morgen, war ich um 07:00 als erster an der Grenze und konnte somit auch um 08:00 als erster mit den Grenzformalitäten beginnen: Immigrationspolizei, liberianischer Geheimdienst, Gesundheitsministerium, ECOWAS-Büro (zur Begutachtung und intensiven Diskussion meiner Autoversicherung), zwei Büros, deren Funktion ich nicht wirklich durchschaut hatte, die sich aber sehr für meine Autopapiere für Sierra Leone interessierten, diese einmal absegneten, um dann noch einmal die Gültigkeit ihres eigenen Stempels nachzukontrollieren, und abschließend der Zoll. Die Bemerkung, dass ich nicht "Einreisen", sondern nur "Ausreisen" will, verkniff ich mir, um den vierstündigen Bürokratiemarathon nicht weiter in die Länge zu ziehen. Die persönliche Bestätigung, dass die Zeit am Vortag bei Weitem nicht mehr ausreichend gewesen wäre, um alle Ausreiseformalitäten zu erledigen, konnte ich mir auch sonst wo hinstecken, denn ich hatte ja erst die Hälfte der Arbeit erledigt. Vor mir lag die Einreise nach Sierra Leone. Diese Einreise in die Republik Sierra Leone war bedeutend einfacher als die Ausreise aus Liberia, was die offizielle Bürokratie anbelangt. Hingegen war die Dreistigkeit, mit der die sierra-leonischen Beamten an der Grenze in Jendema um Schmiergeld feilschten, ein neuer Höhepunkt. Leider konnte ich keine Fotos machen, aber es gab da einen Einwanderungspolizist, der der ganzen Farce die Krone aufsetzte: Statur eines Schwergewichtsboxers, in seinem Unterhemd dasitzend (um Oberarme und Oberkörper auch entsprechend zur Geltung zu bringen) und mit einer schwarzen Sonnenbrille bestückt - ich dachte kurz an Forest Whitaker und seiner Oskarrolle als Idi Amin im Film "Der letzte König von Schottland". Auf jeden Fall wurde ich prompt angeschrien: "White man, 10 US Dollar!". Ich setzte, meinen inzwischen schon perfektionierten dümmlichen Blick auf und antwortete nur "Wie? Das verstehe ich jetzt nicht! Ich dachte es wäre schon alles bezahlt?". Und, ich bat ihn höflich mir zu erklären für welches Dokument denn nun diese 10 US Dollar zu entrichten seien. Die Verachtung die daraufhin in seinem Blick zu sehen war, kann ich hier nicht in Worte fassen. Auf jeden Fall wurde ich für die nächsten 30 Minuten ignoriert und der oben beschriebene Herr kassierte währenddessen von den liberianischen Grenzgängern, die eigentlich auch schon alle Papiere hatten, fleißig Geld. Als keine LiberianerInnen mehr anwesend war, nahm er die Sonnenbrille ab, schaute mich ganz sanftmütig an und meinte, dass die 10 US Dollar für unsere Freundschaft gedacht sind. Etwas verdutzt ob dieser Antwort, nahm ich meinen Reisepass, der auf dem Tisch lag, stand auf und informierte Idi Amin, dass er mich anstatt nach Geld zu fragen auf ein Bier einladen hätte sollen, wenn er wirklich meine Freundschaft gewinnen hätte wollen. Damit war die Einreise nach Sierra Leone vollzogen und ich verließ den Grenzposten Jendema, um auf der Polizeibehörde in "Jendema-Downtown" eine weitere Stunde Papiere auszufüllen. Mein Nervenkostüm hielt, ich war aber am absoluten Limit und glücklich eine schöne Unterkunft in Zimmi zu finden - vor allem mit eigenem Stromaggregat. So verbrachte ich den Abend biertrinkend auf der Veranda meines "guest-houses", horchte Chet Baker und schmunzelte über die eigentlich schönen Strapazen, die ich auf meiner Reise erleben darf.

Die Mama vom Royal Guesthouse in Zimmi
Mein weiterer Reiseplan hatte vorgesehen, dass ich von Zimmi nach Potoru fahre. Zwischen Zimmi und Potoru befindet sich der Fluß Moa, der nur mit der Autofähre überquert werden kann, die aber wiederum vor einem Monat untergegangen war, was wiederum Erinnerungen an meine Autofähre zur Überquerung des Cavally von der Elfenbeinküste nach Liberia wachrief. Also fuhr ich stattdessen nach Joru und von dort nach Lalehun. Lalehun ist jenes Dorf, von dem aus der nördliche Teil des Gola Hills-Nationalparkes betreten werden kann. Ich verbrachte drei Tage/Nächte in Lalehun bzw. im sierra-leonischen Regenwald.

Die Mädchen in Lalehun hatten ihren Spaß daran, dass ich nicht in der Lage war Mende zu sprechen. Als Kompensation zum "Ausgelacht-Werden" erhielt ich aber den ganzen Tag frische Mangos.
Obwohl ich schon in der Elfenbeinküste (Taï) und in Liberia (Sapo) Zeit in westafrikanischen Regenwäldern verbracht hatte, durfte ich hier das erste Mal auch die dazugehörende Atmosphäre genießen. Da die Dörfer, die an den Nationalpark Gola Hills angrenzen, ohne Ausnahme die Nationalparkidee unterstützen, gibt es auch keine Wilderei. Das bedeutete für mich, es gab viele Tiere zu sehen und noch viel wichtiger/schöner, man spürte und hörte zu jedem Zeitpunkt im Wald, dass eben dieser lebte. Einen zusätzlichen Spaßfaktor stellte mein Parkführer Bobby dar, den man ganz einfach als verrückt beschreiben kann - was wahrscheinlich der Grund war, warum wir uns so gut verstanden: so erfuhr ich Geschichten von sehr gefährlichen Singvögeln bis hin zu abenteuerlichen Bäumen:

Säuger: Dianameerkatze (Cercopithecus diana), Campbellmeerkatze (Cercopithecus campbelli), Gestreiftes Borstenhörnchen (Euxerus erythropus), Kleines Sonnenhörnchen (Heliosciurus punctatus).


Dianameerkatzen (Cercopithecus diana) im Gola-Regenwald
Campbellmeerkatze (Cercopithecus campbelli), mehr oder weniger direkt vor meinem Zeltplatz in Lalehun

Gestreiftes Borstenhörnchen (Euxerus erythropus) auf dem Fußweg nach Lalehun

Vögel: Kuhreiher (Bubulcus ibis), Palmgeier (Gypohierax angolensis), Höhlenweihe (Polyboroides typus), Weißbrustperlhuhn (Agelastes meleagrides), Mohrensumpfhuhn (Amaurornis flavirostris), Maidtaube (Turtur brehmeri), Schillereisvogel (Alcedo quadribrachys), Weißkehlspint (Merops albicollis), Zwergtoko (Tockus camurus), Elstertoko (Tockus fasciatus), Schreihornvogel (Bycanistes fistulator), Goldhelmhornvogel (Ceratogymna elata), Kleine Streifenschwalbe (Hirundo abyssinica), Graubülbül (Pycnonotus barbatus), Weißschwanzfuchsdrossel (Neocossyphus poensis), Gelbkopffelshüpfer (Picathartes gymnocephalus), Kletterweber (Malimbus rubricollis), und viele weitere KBVs und KSVs.

Zwei Höhlenweihen (Polyboroides typus) im Flug: links ein Adulttier und rechts ein Jungvogel
Der Gelbkopffelshüpfer (Picathartes gymnocephalus), ein richtig bizarrer Vogel und gleichzeitig das Wappentier des Gola Hills Nationalparkes
Ein Schillereisvogel (Alcedo quadribrachys) beim Ansitzen für den nächsten Fisch
Reptilien: Siedleragame (Agama agama), Tropenskink (Trachylepis polytropis)


Tropenskink (Trachylepis polytropis)
Amphibien: Gebänderter Bananenfrosch (Afrixalus fulvovittatus)


Der Gebänderte Bananenfrosch (Afrixalus fulvovittatus) hatte es sich auf meinem Zelt gemütlich gemacht.
Nach meinem Nationalparkaufenthalt ging es zurück nach Joru und dann nach Kenema. In Kenema wurde ich von Anneke (einer deutschen Herpetologin) und Miles (einem englischen Wasseringenieur), die beide für den Gola-Nationalpark arbeiten, zum Verzehr von polnischen Würsten und deutschem Kartoffelsalat eingeladen. Ich war wie im siebten Himmel; konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal Wurst und/oder Kartoffelsalat gegessen hatte. Von Kenema ging es dann weiter nach Bo, um über Koribundu und Bandajuma nach Potoru zu gelangen - jenes Potoru, das schon früher auf meinem Reiseplan gestanden hatte. Von Potoru ging es sofort in das kleine Dorf Kambama, von wo aus ich auf dem Boot nach Tiwai Island übersetzte. Tiwai ist eine Insel im Moa und in Sierra Leone bekannt für seine Primatenpopulationen. Natürlich machte auch ich mich auf Affenjagd:
Säuger: Westafrikanischer Stummelaffe (Piliocolobus badius), Weißbart-Stummelaffe (Colobus polykomos), Rußmangabe (Cercocebus atys), Dianameerkatze (Cercopithecus diana), Campbellmeerkatze (Cercopithecus campbelli), Kleine Weißnasenmeerkatze (Cercopithecus petaurista), Gestreiftes Borstenhörnchen (Euxerus erythropus).


Wer beobachtet hier wen? - ein Westafrikanischer Stummelaffe (Piliocolobus badius)
Eine Gruppe Weißbart-Stummelaffen (Colobus polykomos) hatte sich direkt oberhalb meines Zeltes "eingenistet".
Ein östrisches Rußmangaben-Weibchen (Cercocebus atys)
Vögel: Riedscharbe (Phalacrocorax africanus), Wollhalsstorch (Ciconia episcopus), Hagedasch (Bostrychia hagedash), Palmgeier (Gypohierax angolensis), Wassertriel (Burhinus vermiculatus), Halsband-Brachschwalbe (Glareola nuchalis), Zügelliest (Halcyon malimbica), Elstertoko (Tockus fasciatus), Goldhelmhornvogel (Ceratogymna elata), Schwarzhelmhornvogel (Ceratogymna atrata), Mohrenschwalbe (Hirundo nigrita), Grauschnäpper (Muscicapa striata), Kletterweber (Malimbus rubricollis), und viele weitere KBVs und KSVs.

Eine Riedscharbe (Phalacrocorax africanus), mein erster Kormoran auf dieser Reise

Ein Wassertriel (Burhinus vermiculatus) im Flug

Ein Halsband-Brachschwalbenpäarchen (Glareola nuchalis)
Reptilien: Siedleragame (Agama agama), Tropenskink (Trachylepis polytropis), Lianenschlange (Thelotornis kirtlandii) und eine weitere Schlange, die ich aber nicht identifizieren konnte.

Eine Lianenschlange (Thelotornis kirtlandii), die sich kurz nach diesem Foto ca. einen Meter aufrichtete, um sich auf den nächst höheren Ast zu hanteln. Ich dachte hingegen, dass die Lianenschlange zur Attacke ansetzt und machte folglich einen Satz nach hinten, weshalb es leider kein Foto von der aufgerichteten Schlange gibt.

Schmetterlinge auf Tiwai Island
Nach meinem Aufenthalt in Tiwai ging es dann dieselbe Strecke wieder zurück: Potoru, Bandajuma, Koribundu und Bo, um von dort über Mile 91, Masiaka und Waterloo in die Hauptstadt Freetown zu gelangen. Freetown ist eine wunderschön gelegene Stadt - ich behaupte mal, die schönste afrikanische Stadt, die ich bis jetzt besucht habe. Die Stadt ist über mehrere Hügel angelegt und liegt direkt am Meer. Meine erste Assoziation war San Francisco.


Blick auf einen der Hügel Freetowns - schon zu etwas späterer Stunde
Aber spätestens beim zweiten Blick fällt auf, dass auch diese Stadt, so wie die meisten afrikanischen Großstädte im Verkehrschaos und im Müll untergeht. Ich musste bei meiner Ankunft quer durch die Stadt zirkeln, um zu meiner angestrebten Unterkunft zu gelangen. Einerseits machte es unglaublich viel Spaß durch die engen Straßen in Freetown zu manövrieren, andererseits war ich fix und fertig als ich nach zwei Stunden die Stadtdurchquerung hinter mir hatte. Seitdem ist mein Auto geparkt und ich bewege mich entweder zu Fuß oder mit Motorradtaxi. Interessant ist, dass in Freetown Motorradhelmpflicht besteht und noch viel interessanter ist, dass diese auch zum Großteil eingehalten wird. Aufgrund der etwas zweifelhaften Fahrkünste der lokalen Motorradfahrer bin ich auf jeden Fall äußerst glücklich, dass auch immer ein Sturzhelm für den Fahrgast zur Verfügung steht. Das wirkliche Highlight meines Aufenthaltes in Freetown passierte aber heute: das schnellste Visum ever! Die Botschaft von Guinea brauchte doch tatsächlich ganze 7 Minuten, um mein Visum auszustellen. Ich bin immer noch ganz baff! Damit ist auch die weitere Reiseroute klar: um nicht nochmals quer durch Freetown zu fahren, werde ich die Strandroute Richtung Süden einschlagen und einfach die ganze Halbinsel, auf der Freetown liegt umrunden, um dann Richtung Norden (Makeni und Kabala) weiterzuziehen und die Grenze nach Guinea zu überqueren, wo vorerst die Suche nach der Nigerquelle ansteht.

Freitag, 4. Mai 2012

Von der Elfenbeinküste nach Liberia

Nachdem ich meinen letzten Eintrag gepostet hatte und ich wieder mal einen Autoreifen, der von einem Stein leicht angeritzt wurde, reparieren hatte lassen, packte ich meine Sachen und begab mich auf meine geliebten Sandpisten. Diese führten mich vorerst über Sirasso, Dianra und Séguéla nach Man.

Überquerung des Sassandra (nordöstlich von Man), einer geographischen Artbarriere in Westafrika (einige Tierarten, die östlich dieses Flusses zu finden sind, kommen am Westufer nicht mehr vor)
Ich fuhr also wieder Richtung Süden, was gleichzeitig bedeutete, dass ich die Savannenlandschaft im Norden der Elfenbeinküste gegen immer mehr Grün eintauschte. Das zeigte sich einerseits durch immer mehr Wald und andererseits durch immer mehr Agrarwirtschaft, was in der Elfenbeinküste soviel wie Kakaoplantagen heißt. Es ist kaum zu glauben, aber ich schaffte es 30 Tage in der Elfenbeinküste zu verbringen, ohne eine einzige Kakaoplantage zu sehen. Der Grund dafür dürfte wohl sein, dass die internationalen Preise für Kakao in den letzten Jahren stark gefallen waren, und deshalb viele Bauern auf Kaschu (Cashew) oder Kautschuk umgestiegen sind. Ich liebte es vor allem durch die Kaschuplantagen zu fahren, denn, wann immer der Hunger sich meldete, pflückte ich mir einfach ein paar Kaschuäpfel, die ich im Gegensatz zur Nuss vorher noch nie gegessen hatte, und das Hungerproblem war gelöst – effektiv und billig.

Eine Kaschuplantage (Anacardium occidentale) südwestlich von Séguéla
Wie schon erwähnt, je weiter ich Richtung Süden fuhr, umso grüner wurde die Landschaft, gleichzeitig bemerkte ich aber auch immer mehr, dass es noch eindeutig zu früh war, um dieses Land zu bereisen. So war zum Beispiel die Infrastruktur (Straßen, Stromversorgung etc.) während des Bürgerkrieges stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Und noch viel schlimmer, aber wie nicht anders zu erwarten, waren die Ivorer "moralisch" stark angeschlagen. Hin und wieder konnte man zwar ganz schüchtern Zouglou oder Coupé Decalé aus einer Bar hören, im Großen und Ganzen war den ivorischen Lebemenschen aber nach wie vor nicht nach Tanzen, Trinken und Feiern, wie das zuvor der Fall gewesen sein dürfte, zumute. Ich selbst bekam dieses "Angeschlagen" sein zweifach zu spüren. Erstens die Skepsis die mir entgegengebracht wurde, sprich das Nicht-Glauben-Können, dass ich einfach so, also ohne einen politischen Hintergedanken durch die Elfenbeinküste fahre, und zweitens dadurch, dass viele Menschen, die ich in dieser Region kennen lernte, nachdem die Skepsis einmal überwunden worden war, mir ihre Geschichte, ihre Version des Bürgerkriegs erzählten. Da ich für viele Menschen, der erste Außenstehende (politisch Neutrale) war, denn sie seit Ende des Bürgerkriegs trafen und es damit für viele die erste Möglichkeit war ohne Bedenken über das Erlebte zu sprechen, hörte ich mir eine Greuelgeschichte nach der anderen an: vom Massakrieren ganzer Dörfer, einfach nur deshalb, weil der Chef des Dorfes ein bekennender Anhänger einer der beiden Präsidentschaftskandidaten war, von Vergewaltigungen,. vom Verbrennen von Familienangehörigen, vom Exekutieren von Kindern, die einfach deshalb ermordet wurden, weil sie unglücklicherweise beim Wasserholen von Rebellen angehalten wurden und auf irgendeine belanglose Frage nicht die richtige Antwort wussten, vom nächtelangen Herumirren im liberianischen Regenwald usw. Ich konnte spüren, dass es für viele Menschen hier eine Erleichterung war, endlich mal über das Erlebte sprechen zu können; ich merkte aber auch, dass mir viele dieser Geschichten zu arg waren - ich bin ja nicht wirklich in Krisenintervention ausgebildet. 
Trotz all dieser unfassbaren Geschichten ließ ich es mir nicht nehmen, auch das Land im Westen der Elfenbeinküste ein wenig anzuschauen. Die Fahrt führte von Man über Douékoué nach Guiglo, von wo es über Straßen, die eigentlich nicht mehr als solche erkennbar waren, nach Taï und schlussendlich nach Djiroutou weiterging. In Djiroutou befindet sich die Verwaltung des Taï Nationalparks, eines Parks, der in den ivorischen Regenwäldern liegt. Die Nationalparkverwaltung teilte mir mit, dass der Park offiziell noch nicht für den Tourismus geöffnet ist. Da sich für den folgenden Tag, der für die Nationalparks zuständige Minister angekündigt hatte, wurde mir angeboten, dass ich mich einfach für die nächsten zwei Tage "verstecken" solle und ich nach der Abfahrt des Ministers gemeinsam mit einem Führer den Nationalpark inoffizieller weise besuchen könnte. Folglich schlug ich mein Zelt am Fluss Hana auf, der sich schon im Nationalpark befindet, und hielt mich für zwei Tage im Hintergrund. Nach der Abreise des Herrn Ministers durfte ich dann gemeinsam mit Sylvain, meinem Nationalparkführer, den Park durchwandern. Obwohl wir zwei lange Wanderungen im Park unternahmen und eine davon sogar eine Nachtexkursion war, gab es nicht viel zu sehen. Grund dafür war, dass im Laufe der Unruhen der letzten zwei Jahre sehr viel gewildert worden war bzw. nach wie vor gewildert wird. So konnte ich fast jede Nacht, die ich im Nationalpark verbrachte, Schüsse von Wilderern auf der Jagd hören. Dementsprechend kurz ist die folgende Liste, der Tiere, die ich im Nationalpark Taï beobachten konnte:

Säuger: Weißbart-Stummelaffe (Colobus polykomos), Dianameerkatze (Cercopithecus diana diana), Campbellmeerkatze (Cercopithecus mona campbelli), Buschhase (Lepus saxatilis), sowie diverse Fledermäuse.

Zwei Campbellmeerkatzen (Cercopithecus mona campbelli) beim "Grooming"
Vögel: Hagedasch (Bostrychia hagedash), Witwenpfeifgans (Dendrocygna viduata), Palmgeier (Gypohierax angolensis), Schwarzmilan (Milvus migrans), Palmtaube (Streptopelia senegalensis), Riesenturako (Corythaeola cristata), Spornkuckuck (Centropus senegalensis), Braunkopfzwergfischer (Ceyx lecontei), Weißbauchzwergfischer (Alcedo leucogaster), Senegalliest (Halcyon senegalensis), Blaukehlroller (Eurystomus gularis), Elstertoko (Tockus fasciatus), Schwarzhelmhornvogel (Ceratogymna atrata), Weißschopfhornvogel (Tropicranus albocristatus), Kleine Streifenschwalbe (Hirundo abyssinica), Grauschnäpper (Muscicapa striata), Flaggendrongo (Dicrurus modestus), Rotkehlweber (Malimbus nitens), Kletterweber (Malimbus rubricollis), und viele weitere KBVs und KSVs.

Braunkopfzwergfischer (Ceyx lecontei) am Hana

Senegalliest (Halcyon senegalensis)

Weißschopfhornvogel (Tropicranus albocristatus) im Bambusgestrüpp
Reptilien: Stutz-Gelenkschildkröte (Kinixys homeana), Siedleragame (Agama agama), Brooks Halbfingergecko (Hemidactylus brookii), Tropenskink (Trachylepis polytropis)

Stutz-Gelenkschildkröte (Kinixys homeana)
Wenn gleich ich nicht ganz zufrieden war mit dem was ich vor allem an Säugetieren im Taï Nationalpark zu Gesicht bekam, gab es doch ein paar "highlights". So konnte ich eine Gruppe Campbellmeerkatzen über eine Stunde aus der Nähe beobachten. Am selben Tag traf ich dann zufälligerweise Karim Ouattara von der Universität in Abidjan, der eben genau über Kommunikation und Sozialverhalten eben dieser Meerkatzen Studien am Laufen hat. Da ich eine "Grooming-Session" der Campbellmeerkatzen komplett filmte und Ouattara bis jetzt noch kein Filmmaterial zusammenstellen konnte, stellte ich ihm meine Aufnahmen zur Verfügung. Außerdem traf ich Mitarbeiter des Forschungsteams um Christophe Boesch vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der seit Ende der 70er Jahre die Schimpansen in der Elfenbeiküste erforscht. Ja und aufgrund all dieser Gespräche und Diskussionen habe auch ich wieder ein wenig Lust bekommen, den Weg zurück in die Wissenschaft zu suchen. Aber vorerst bin ich am Reisen und nicht am Zukunftspläneschmieden. Abgesehen von den Wirbeltieren, die ich im Nationalpark gesehen habe, gab es, wie nicht anders zu erwarten in einem tropischen Wald, viele unglaublich schöne, bizarre oder giftige Gliederfüßer.

Tausendfüßer: Bandfüßer (links oben), Schnurfüßer bei der Paarung (links unten) und Skolopender (rechts)

Insekten: Schmetterling (links oben), Gottesanbeterin (rechts oben) und ein ca. 10 cm langer Laufkäfer (unten)
Das wirkliche Highlight des Taï Nationalparks bekam ich bei der Nachtwanderung zu Gesicht. Ziel dieser Wanderung war eigentlich Ducker, Schleichkatzen oder Schuppentiere zu sehen. Was ich aber entdeckt hatte, war für mich genauso exotisch und spannend, wenn gleich bedeutend kleiner und für meinen Führer Sylvain komplett uninteressant. Während ich im Comoe Nationalpark, im Norden der Elfenbeinküste noch meine erste Walzenspinne gesehen hatte, war es dieses Mal meine erste Geißelspinne.

Geißelspinne auf einem Termitenhügel
Nach meinem Nationalparkaufenthalt ging es von Djiroutou über Grabo nach Tabou, an der Atlantikküste.

Blick auf den Atlantik von meinem Stammplatz in meiner Lieblingskneipe in Tabou
Von Tabou machte ich mich auf nach Prello um von dort mit der Fähre den Cavally, den Grenzfluss zwischen der Elfenbeinküste und Liberia zu überqueren. Nachdem ich die Grenzformalitäten auf ivorischer Seite erledigt hatte, machte ich mich auf die Suche nach einer Autofähre, von denen ich zwei (oder besser ausgedrückt eineinhalb) entdeckte. Die eine der Autofähren war relativ neu und vom UNHCR für Flüchtlingstransporte zwischen Liberia und der Elfenbeinküste vorgesehen. Die zweite Fähre war weniger eine Fähre als wahllos zusammengenageltes morsches Holz. Ja und dieses morsche "Holzding" war für mich vorgesehen, da ich nicht als Flüchtling durchging und damit nicht die Kriterien für die UNHCR-Fähre erfüllte. Folglich fuhr ich mit so mancher Schweißperle auf meiner Stirn auf die Fähre auf, wir setzten über und ich war heilfroh mit meinem Auto das liberianische Festland erreicht zu haben.

Der Cavally, links der ivorische Regenwald in Prello und rechts der liberianische Regenwald in Pededo
Im liberianischen Grenzdorf Pededo ging ich sogleich die Grenzformalitäten an. Meine Einreise (Immigrationspolizei) ging problemlos über die Bühne, während die Einreise meines Autos sich als Problem rausstellte. Nach einer zweistündigen Diskussion der Zollbeamten wurde entschieden, dass ich nach Harper, die nächstgelegene Großstadt zu fahren habe, um dort im Hauptquartier des liberianischen Zolls die Formalitäten für mein Auto zu erledigen. Diese Entscheidung kam mir sehr entgegen, da ich sowieso nach Harper fahren wollte. Auf meinem Weg zurück zum Auto, wurde ich aber noch von einem Beamten abgefangen, der für die Registrierungen an der Grenze zuständig war. Also hieß es auch hier (so wie bei der Immigrationspolizei und dem Zoll) nochmals alle Daten anzugeben und zu erklären, warum ich durch Liberia fahren will und nicht direkt einen Flieger nach Österreich genommen habe. Von dieser Registrierungsbehörde wurde ich dann zum Kommunikationschef weitergereicht - nochmals dieselbe Geschichte erzählen und erklären. Aber auch das brachte ich gelassen hinter mich, um mich dann ein zweites Mal Richtung Auto und damit Richtung Harper zu begeben. Doch ich wurde ein weiteres Mal abgefangen und zwar von einer Polizistin, die ich aber sogleich beruhigte, indem ich ihr meinen Einreisestempel im Pass zeigte. Die Polizistin erklärte mir daraufhin, dass ich nur bei der Einwanderungspolizei, die dem Justizministerium untersteht vorstellig geworden bin, während ich mich bei der eigentlichen Polizei, die dem Innenministerium untersteht, nicht gemeldet hätte. Also nochmals retour und nochmals alle Daten angeben und erklären, warum ich gerade durch Liberia fahren muss. Und, je öfter ich gefragt wurde, warum ich unbedingt durch Liberia fahren will, desto mehr habe ich selbst begonnen mir diese Frage zu stellen. Dennoch nahm ich auch diese Hürde und verließ Pededo ein wenig stolz, da ich, obwohl ich bei fünf Behörden vorsprach und obwohl alle Beamten dieser Behörden nicht nur einmal danach fragten, keinen Cent Schmiergeld brauchte. Die Weiterfahrt führte also direkt von Pededo nach Harper. In Harper angekommen, wurde ich sogleich beim Zollhauptquartier vorstellig, um dort zu erfahren, dass sie die Formalitäten für mein Auto nicht erledigen könnten, sondern dies direkt von der Zollstation in Pededo, also an meinem Einreiseort, erledigt werden müsste. Folglich ging die Fahrt wieder zurück nach Pededo, wo ich dem Zoll basierend auf den Informationen, die ich in Harper erhalten hatte, erklärte welches Formular auszufüllen sei. Nachdem ich das Formular erhalten hatte, die entsprechende Gebühr entrichtet hatte, fuhr ich wieder zurück nach Harper, um mir dort ein Hotel zu suchen und das erste Mal seit meiner Ankunft in Liberia ein wenig durchzuatmen. Harper war eine sehr sonderbare Stadt. Man konnte erahnen, dass dies einst eine florierende Stadt war, wenn gleich ein Großteil der Wohnhäuser, Hotels, Casinos etc. ausgebrannt sind und wie Mahnmale mitten in der Stadt stehen. Außerdem fehlten die Menschen in dieser Stadt, die, wie ich später erfuhr während des Bürgerkriegs entweder ums Leben gekommen sind oder eben flüchteten (entweder ins Ausland oder in den liberianischen Regenwald). Von der verbliebenen Bevölkerung schienen vor allem die Kinder das Leben in Harper zu genießen, denn ihnen stand die ganze Stadt als Spielplatz zur Verfügung. In Harper musste man als Fußgänger auf den Straßen nicht auf die Autos achten, denn von denen gab es kaum welche, sondern auf Fußbälle, da viele Straßen als Fußballfelder benutzt wurden. Was mich zu diesem Zeitpunkt noch überraschte, war die Tatsache, dass eine Stadt wie Harper weder Strom- noch Wasserversorgung hatte. Trotzdem wurden in den Hotels nach wie vor klimatisierte und ventilierte Zimmer zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Ich verkniff es mir in meinem Hotel nachzufragen, was denn nun der Vorteil einer Klimaanlage gegenüber einem Ventilator bei nicht vorhandener Stromversorgung sei. Was ich mir nicht verkniff, war einem "Gerücht" nachzugehen, dass ich in der Elfenbeinküste aufgeschnappt hatte. In der Elfenbeinküste wurde mir wiederholt erzählt, dass ein Großteil der Greueltaten, die in den letzten zwei Jahren im Westen des Landes verübt wurden, nicht von Ivorern begangen worden sind, sondern von Ausländern, allen voran von Liberianern, die einfach das allgemeine Chaos in der Elfenbeinküste ausnutzten. Interessant, wenn gleich entsetzlich, fand ich die Tatsache, dass die Ivorer bemerkten, dass die ausländischen Milizen, die aus dem Norden kamen (hauptsächlich Malier) nur raubten, während die Liberianer hauptsächlich aufs Töten und Vergewaltigen aus waren. Angesprochen auf diese Anschuldigungen reagierten die Liberianer gelassen und zustimmend. So erfuhr ich, dass die Menschen im Osten Liberias seit Jahren darauf gewartet hatten, sich an den Ivorern zu rächen, die während des Bürgerkrieges in Liberia anscheinend genau dasselbe machten. Als Charles Taylor 1989 seinen Aufstand gegen den damaligen liberianischen Präsidenten Samuel Doe begann, geschah dies von der Elfenbeinküste aus, unterstützt von den Ivorern, allen voran vom guten Freund Charles Taylors Félix Houphouët-Boigny. Ich möchte hier aber auch gleich erwähnen, dass die Lage in Liberia inzwischen sehr entspannt ist. Die liberianische Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf, die hier von allen Mama Liberia genannt wird, hat es geschafft, von mehr oder weniger allen ethnischen Gruppen in Liberia respektiert zu werden und somit versöhnlich auf das Land einzuwirken. 
Nach zwei Tagen des Akklimatisierens in Harper (es ist ja inzwischen Regenzeitbeginn und die Luftfeuchtigkeit steigt von Tag zu Tag - ich nenne es 24-Stunden Gratissauna) ging es über Kahnwia und Bawo nach Jalay, jenes Dorf von dem aus der Nationalpark Sapo betreten werden kann. Bevor ich aber den Nationalpark besuchen konnte, musste ich mich um mein Auto kümmern, denn mein Kühler hatte wieder mal Leck geschlagen. Bei meinem Glück war im nächsten Dorf eine Equipe stationiert, die im Auftrag der liberianischen Regierung die Straßenverbindung  Zewru-Greenville noch vor der Regenzeit entsprechend präparieren soll. Teil der Arbeitsmannschaft waren Automechaniker aus der Elfenbeinküste - und mein Auto war zwei Tage später repariert. Damit konnte ich mich, ohne an Autoprobleme denken zu müssen, in den Nationalpark begeben. Leider galt auch für den Sapo Nationalpark, sowie für den Nationalpark in Taï oder Comoe, dass das Wildern dazu geführt hatte, dass die Tiere sehr schwer zu sehen waren. Wie nicht anders zu erwarten fanden wir dann auch die Beute eines Wilderers, was dazu führte, dass die restliche Zeit, die ich mit meinen Führern im Park verbrachte, hauptsächlich dazu genutzt wurde die Wilderei zu diskutieren. Ich musste immer wieder darauf drängen, dass jetzt das Palavern aufhören sollte und wir uns wieder auf Wanderschaft durch den Regenwald begeben sollten. Trotzdem hatte das Auffinden der Beute der Wilddiebe den Vorteil, dass ich mein erstes Riesenwaldschwein (Hylochoerus meinertzhageni) zu Gesicht bekam.

Meine Sapo Nationalparkführer Osara, Colie und Junior (von links nach rechts) mit einem Teil eines Riesenwildschweins, das von einem Wilddieb erlegt wurde
Außerdem bekam ich folgende Tiere zu sehen:

Säuger: Dianameerkatze (Cercopithecus diana diana), Große Weißnasenmeerkatze (Cercopithecus nictitans nictitans), Feuerfußhörnchen (Funisciurus pyrropus), Westafrikanischer Quastenstachler (Atherurus africanus).

Große Weißnasenmeerkatze (Cercopithecus nictitans nictitans), die ich auch schon öfters und vor allem in besserer Position in Gabun vor die Kamera bekam
Vögel: Kuhreiher (Bubulcus ibis), Weißbrustperlhuhn (Agelastes meleagrides), Guineaturako (Tauraco persa), Riesenturako (Corythaeola cristata), Schillereisvogel (Alcedo quadribrachys), Elstertoko (Tockus fasciatus), Goldhelmhornvogel (Ceratogymna elata), Waldrötel (Stiphrornis erythrothorax), Grauschnäpper (Muscicapa striata), Flaggendrongo (Dicrurus modestus), und viele weitere KBVs und KSVs.

Goldhelmhornschnabel-Weibchen (Ceratogymna elata) im Flug über Jalay
Reptilien: Siedleragame (Agama agama)
Ein Reptil, das ich glücklicherweise nicht zu Gesicht bekam, machte sich trotzdem zweimal "bemerkbar":

Zweimal, während meines Aufenthalts in Sapo, fanden wir die abgestreifte Haut einer Afrikanischen Speikobra (Naja nigricollis)
Weil das Fotografieren der Tiere im Regenwald äußerst schwierig war, konzentrierte ich mich auf die Pilze, die nicht so einfach vor der Kamera flüchten konnten:

Pilze in unterschiedlichsten Formen, Farben und Größen - typisch tropischer Regenwald eben!
Abgesehen von den Pilzen hatte auch der Kaiserskorpion (Pandinus imperator) keinen Grund überhastet zu flüchten. Meine Führer informierten mich, dass sie zwei Arten von Skorpionen im Sapo Nationalpark haben: einen schwarzen und einen grünen Skorpion. Bei meiner Recherche im Internet fand ich aber heraus, dass es sich um ein und dieselbe Art handelt, die Farbe des Skorpions aber vom einfallenden Licht abhängt.

Kaiserskorpion (Pandinus imperator) im Sapo Nationalpark
Aufgrund meines Aufenthaltes im Nationalpark und meinen Autoproblemen verbrachte ich schlussendlich ganze fünf Tage in Jalay. In diesen fünf Tagen hatte ich auch die Möglichkeit wiederum MitarbeiterInnen des in Liberia tätigen Forschungsteams um Christophe Boesch kennenzulernen. Außerdem initiierte FFI (Flaura & Fauna International) ein REED+ Projekt, und ich durfte als Gasthörer den ersten Schulungen für dieses Projekt beiwohnen. Beim REED+ Projekt in Liberia geht es darum riesige Waldflächen, die um den Nationalpark Sapo liegen, aber nicht unter Schutz gestellt sind, vor dem Abholzen zu bewahren. Der dadurch nicht in die Atmosphäre abgegebene Kohlenstoff kann eingekauft werden; in Zukunft an der Börse und vorerst von Ländern, die sich zur Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen verpflichtet haben. Sollten diese Länder die Reduzierungen im eigenen Land nicht erreichen, haben sie die Möglichkeit durch den Kauf von Kohlenstoff in "Baumform" und die damit gewonnene Kohlendioxid-Bindung anrechnen zu lassen. Federführend hierbei ist die norwegische Regierung, die sich in Indonesien schon Kohlenstoff im Wert von 1 Milliarde US Dollar eingekauft hat und die auch dieses Projekt in Liberia finanziert. Die Schulungen in Sapo zielten auf zwei Aspekte ab: Erstens "community"-Sensibilisierung und zweitens wie vor Ort der Kohlenstoffgehalt eines Waldes errechnet werden kann.

Liberianische Forstwissenschaftsstudenten erlernen die Methode zur Berechnung des Kohlenstoff-Gehaltes von Bäumen
Gleichzeitig verbrachte ich auch viel Zeit im Dorf selbst: beim Chef des Dorfes und unterm Dorfmangobaum beim Trinken von Afrikanischem Whiskey (Zuckerrohrschnaps).

Meine kleinen FreundInnen aus Jalay
Und so fiel der Abschied von meinen neuen Freunden in Jalay/Sapo schwer, doch die Fahrt ging weiter Richtung Juazohn nach Greenville und dann über ITI und Yarpah nach Buchanan, von wo aus ich über Harbel (auch bekannt als "Firestone-City") nach Monrovia reiste. Die Straßen in Liberia sind nochmals ein eigenes Kapitel und gleichen oft mehr einer Seen- oder Sumpflandschaft, denn einer Straße. Seit der Einreis nach Liberia fuhr ich viele Straßen mit Vierradantrieb ab. Bei den sumpfigen Straßenteilen wird die Luft angehalten, denn ich weiß, sollte mir der Motor absterben, komme ich nie wieder aus diesen Dreckslöchern raus. Bei den Wasserstellen, liegt die Schwierigkeit darin, deren Tiefe abzuschätzen. So ist es mir inzwischen schon zweimal passiert, dass das Wasser über die Motorhaube bis zur Windschutzscheibe hoch reichte.

Selbst auf den etwas besseren Straßenabschnitten bleiben immer wieder LKWs hängen.
Zusätzlich kam hinzu, dass es in Liberia keine Straßenschilder gibt. Viele Dörfer sind sowieso nur noch unter dem Namen der ansässigen Firma, die entweder die Konzession zum Schlagen von Holz oder die Konzession zum Abbau von Gold, Diamanten etc. erhalten hat, bekannt (siehe oben ITI). Zu meinem Nachteil führen die Straßenkarten aber nach wie vor die traditionellen Namen der Dörfer. Die Folge waren oft mühsame und langwierige Diskussionen, wenn ich mal nach dem Weg fragte. Einige, eher abgelegene Ortschaften, die ich eigentlich besuchen wollte, konnte ich nicht auffinden, da die mir beschriebene Kreuzung nie auftauchte. Trotz aller Schwierigkeiten kam ich aber in Monrovia an und hatte zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Liberia Strom- und Wasserversorgung. All diese Infrastrukturmängel (Straße, Strom, Wasser) nervten mich aber nicht wirklich, sondern geben diesem Land einen ganz speziellen Charme der Ursprünglichkeit (zumindest in den ländlichen Gegenden). In Monrovia gibt es wie gesagt Strom, aber so sind zum Beispiel die Straßen kaum beleuchtet. Gestern Nacht schlug ich mich dann für einmal durch die dunklen Straßen von Monrovia, was aus sicherheitstechnischen Gründen nicht zu empfehlen ist, aber unglaublich viel Spaß gemacht hat. Während man untertags in dieser Stadt (bzw. dem ganzen Land) das Gefühl hat, dass niemand arbeitet und das Land fast still steht, bricht in der Nacht eine Aufgeregtheit und Umtriebigkeit aus, die man eben nur mitbekommt, wenn man sich auf die Straßen begibt, weil sehen kann man dieses Nachtleben aufgrund des Lichtmangels nicht. Was mich hingegen in Liberia sehr stört, ist das Preisniveau. Liberia ist mit Abstand das teuerste Land, das bisher auf meiner Reiseroute stand. In Monrovia gibt es keine anständige Unterkunft unter 90 US Dollar pro Nacht, bis auf eine, die ich dann auch gefunden habe. Deshalb schreibe ich diesen Beitrag umgeben von Nonnen und Mönchen, aber gleichzeitig ausgestattet mit wireless-Internet.
Heute gab ich meinen Pass auf der Botschaft von Sierra Leone ab. Die Fahrt zur Botschaft war wieder ein Erlebnis, weil mir die liberianische Präsidentin entgegenkam. Ich musste für ca. 20 Minuten am Straßenrand warten und die Präsidenteneskorte, die aus etwas mehr als 30 Fahrzeugen bestand, vorbeiziehen lassen. Die Präsidentin sah ich zwar nicht, dafür aber unzählige Gewehrkolben, die aus den vorbeifahrenden, abgedunkelten Wagen auf die an den Straßenrändern wartende Menge gerichtet waren.
Sobald ich mein Visum für Sierra Leone habe geht es weiter Richtung Robertsport am Pisosee, meiner letzten Destination in Liberia, ehe es über Gola Hills nach Sierra Leone und dann Richtung Freetown geht.