Wie
angekündigt, ging es von Freetown Richtung Süden, um die Freetown Penninsula zu umrunden. Diese Umrundung der Halbinsel dauerte
aber nicht lange. Denn, nach einer kurzen, aber atemberaubenden Autofahrt
zwischen sierra leonischem Primärwald und malerischen Stränden, fällte ich die
Entscheidung, dass es doch noch nicht Zeit sei, mich Richtung guineische Grenze
zu begeben, dafür aber noch ein wenig auf der Penninsula zu verweilen. Nach dem
Zufallsprinzip wurde das kleine Fischerdorf Tokeh ausgewählt, das in
Nord-Süd-Richtung zwischen zwei Flüssen, mit den einfallsreichen Namen
"River N°1" und "River N°2", und in Ost-West-Richtung
zwischen Regenwald und der Atlantikküste eingebettet ist.
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Der Fischerstrand von Tokeh mit den Regenwaldhügeln im Hintergrund |
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Graureiher (Ardea cinerea), Küstenreiher (Egretta gularis), Brandseeschwalben (Sterna sandvicensis) und Königseeschwalben (Sterna maxima) an der Einmündung des River N°1 in den Atlantik |
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Ein lukrativer Nebenverdienst für die Fischerdörfer auf der Freetown Penninsula, immerhin muss eine Großstadt wie Freetown mit entsprechenden Rauschkräutern versorgt werden. |
In Tokeh verbrachte ich also nochmals zwei ruhige
Strandtage bei richtig gutem Essen (frischer Fisch!). Nach diesen zwei Tagen
entschied ich mich aber dann doch die Halbinselumrundung abzuschließen und
erreichte somit Waterloo, von wo aus die Straße fast direkt nach Norden führte:
Masiaka, Lunsar, Makeni und Kabala. Von Kabala ging es dann auf schwierigem Terrain
nach Falaba und von dort mitten durchs Nirgendwo in das sierra leonische Grenzdorf
Koindu-Kura. Die Ausreise verlief sehr reibungslos bis auf die Tatsache, dass
der Zöllner es einfach nicht fassen konnte, dass ein Weißer, ganz alleine,
seinen Grenzübergang finden konnte. In Herémakano, dem guineischen Grenzdorf
waren hingegen wieder bedeutend mehr Diskussionen und Feilschen angesagt.
Während ich Gendarmerie und Einwanderungspolizei davon überzeugte, dass ich
kein Geld zu bezahlen hatte, war der Besuch bei den Zöllnern alles andere als
einfach. Ich erklärte, wie nun schon mehrere Male seit meiner Abreise aus
Gabun, dass ich einen Passagierschein für mein Auto bräuchte. Daraufhin nahm
der Chefzöllner ein Blatt Papier und begann ein solches Dokument
auszuformulieren. Ich war mir dessen bewusst, dass mich dieses handgeschriebene
Dokument viel Geld kosten würde aber gleichzeitig an keiner Polizei- oder
Militärkontrolle in Guinea akzeptiert werden würde. Also nahm ich allen Mut
zusammen und wies den Herrn Zöllner daraufhin, dass dieses Dokument nicht
ausreichend sei und ich davon ausgehe, dass ich das richtige Dokument erst auf
dem Zollamt in Faranah, der nächstgelegenen Stadt, organisieren könne. Ich ging
eigentlich davon aus, dass die Situation aufgrund meines Hinweises, dass das
soeben fabrizierte Zolldokument wertlos sei, ausarten würde, immerhin erklärte
der Nichtwissende dem Chef wie die ganze Sache abzulaufen hat. Aber im
Gegenteil, der Zöllner gab mir recht und wünschte mir eine gute Weiterreise.
Leider waren in der Zwischenzeit auch der Gendarm und der Einwanderungspolizist
eingetroffen, die zwar zuvor akzeptiert hatten, dass es von mir kein Geld gibt,
deswegen aber nicht von dieser Entscheidung überzeugt waren, geschweige denn
glücklich darüber waren. Und, in dem Moment, als mich der Chefzöllner entließ,
wurde eben diesem von links und von rechts zugeflüstert. Ich gehe mal davon
aus, dass aufgrund dieses Zuflüsterns, mir, der schon auf der Schwelle stand,
zugerufen wurde: "Und was führen sie denn alles im Auto mit?". Ich
schloss kurz die Augen, dachte nur "Bitte nicht", atmete kurz durch
und antwortete ganz höflich: "Wasser, Kleidung, Reservereifen und
Dieselkanister". Ich hatte ja schon einige Zollkontrollen hinter mir, bei
denen bisher der/die Zöllner aber immer zum Auto kam/en, ich die diversen
Taschen und Boxen kurz öffnete und erklärte, was sich wo befindet. Noch keine
einzige Zollkontrolle dauerte mehr als 15 Minuten. Der Zöllner an der
guineischen Grenze hingegen bestand darauf, dass ich alles ins Zollamt zu
tragen hätte, damit er dort die Inspektion vornehmen könnte. Zu den beiden
Jungzöllnern, die mich zum Auto begleiteten, meinte ich nur, dass ich meinen 40
Liter Wasserkanister und meine 60 Liter Diesel ganz sicher nicht ins Zollamt
tragen würde. Ich entschied mich also für zwei Taschen mit Kleidung und einem
"Plastiksackerl" mit Mangos, Nudeln und Keksen. Den Trick mit der
Kleidung hatte ich als Student gelernt, der regelmäßig bei seinen Zugfahrten
von Innsbruck nach Hause Drogenkontrollen über sich ergehen lassen durfte. Mit
genügend Dreckwäsche im Gepäck wurden die Kontrollen immer recht kurz gehalten.
In diesem Fall konnte ich auf Wäsche zurückgreifen, die den westafrikanischen
Regenwald in der Regenzeit kennengelernt hatte. Als ich also gebeten wurde den
Tascheninhalt zu präsentieren, entleerte ich diesen auf den Arbeitstisch des
Chefzöllners. Auf meinen Hinweis, dass auch in der zweiten Tasche noch
Kleidungsstücke wären, wurde nur noch Mit Kopfschütteln reagiert. Der Gendarm
entdeckte dann aber noch einen zusätzlichen Reißverschluss auf meinem großen
Wanderrucksack und bat darum diesen zu öffnen. Als der Chefzöllner meine
Stirnlampe sah, bemerkte er nur kurz: "Die will ich!". Ich hatte
diese Taschenlampe schon seit Monaten nicht mehr benutzt, da zweimal die Batterien
ausgelaufen sind und dadurch die Kontakte - trotz Reinigung - nicht mehr
wirklich funktionierten. Ich willigte ein, diese Stirnlampe an den Chefzöllner
zu übergeben unter der Bedingung, dass die Begutachtung meiner Habseligkeiten
damit beendet sei und auch von Gendarmerie und Einwanderungspolizei keine
weiteren Anfragen gestellt würden. Damit ging die Reise weiter, vorerst nach Faranah.
Faranah ist die Heimatstadt des ersten guineischen Präsidenten (oder
Diktators?) Ahmed Sékou Touré.
Deshalb ging ich davon aus, dass ich in Faranah problemlos zu Geld kommen würde
(Stichwort: Geldautomat), denn normalerweise zeichnen sich die Geburtsorte von
afrikanischen Präsidenten durch ein gewaltiges Mehr an Infrastruktur aus. Dem
war dann aber nicht so; was wiederum bedeutete, dass ich mit 500 Guinea Franc,
also umgerechnet 5 Eurocent in der Tasche versuchen musste zu Geld zu kommen
und in Faranah zu "überleben". Und in genau solchen Situationen
kannst du Afrika nur lieben. Auf der Zollbehörde wurde mir mein Passagierschein
fürs Auto ausgestellt, mit der Bemerkung, dass ich einfach wieder vorbeischauen
soll, sobald ich zu Geld gekommen bin, um die Gebühr für das Autodokument zu entrichten.
Auf dem Markt wurde ich über vier Tage gratis von den "Mamans"
verköstigt, die sich natürlich sehr darüber amüsierten, dass ein Weißer kein
Geld hat. Im "Callcenter" wurde immer Geld für mich gesammelt, damit
ich meine Eltern anrufen konnte, um eine Geldüberweisung zu organisieren.
Selbst die Betreiber meiner Herberge hatten kein Problem damit, dass ich Tag
für Tag mit derselben Floskel antanzte und sie auf den nächsten Tag
vertröstete. Natürlich hatte ich am Ende alle meine Schulden in Faranah getilgt.
Es war aber schön diese Hilfsbereitschaft zu erleben. Mit nun wieder mehr als
500 Guinea Franc in der Tasche brach ich auf, um die Nigerquelle zu suchen.
Dafür ging es Richtung Südosten über Tiro in das Dorf Banbaya.
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Blick auf die Nigerquellregion |
Von Banbaya
waren es noch ca. 25 Kilometer zur Nigerquelle, aber ich sollte dort nie
ankommen. Denn am Dorfausgang von Banbaya gab es eine Militärkontrolle, an der
ich nicht vorbeikam. Natürlich ging es wieder darum, dass ich mich weigerte
Geld zu bezahlen, damit mich das Militär passieren lässt. Die Situation artete
so aus, dass man sich gegenseitig beschimpfte - ich hatte in Gabun
glücklicherweise genug "primitives Französisch" gelernt, um in dieser
niveaulosen Diskussion locker mitzuhalten. All meine Beschimpfungen zeigten
keine Wirkung, bis zu jenem Zeitpunkt, als ich anbot den Chef der Gruppe wegen
Korruption vor das Gericht in Faranah zu zerren. Dann wurde es plötzlich ruhig
und zu meiner Verwunderung wurde ab dann versucht zu schlichten und eine
weitere Eskalation zu verhindern. Die Militärs boten mir dann sogar an zu
passieren. Ich war mir aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sicher, ob dies eine
gute Idee sei, da ich nach der Nigerquellenbesichtigung wieder an derselben
Kontrolle vorbei müsste. Die Militärs hätten aber inzwischen zwei Tage Zeit, in
denen sie nichts anderes zu tun hätten als sich neue Schikanen und vor allem
eine entsprechende Retourkutsche zu überlegen. Folglich entschied ich mich
umzudrehen und fuhr zurück nach Faranah.
Ich
hatte für meine Reise durch Westafrika nur zwei Fixpunkte eingeplant; alles
andere ließ ich offen. Beide Fixpunkte (Mount Cameroon und die Nigerquelle)
schaffte ich nicht, was aber schlussendlich nichts an der Qualität meiner Reise
geändert hat. Außerdem fiel mir auf, dass ich mehr und mehr Probleme mit
Polizei, Zoll und Militär hatte, was wahrscheinlich zwei Gründe hat. Erstens
ist die Freundlichkeit dieser Herren in Guinea oder Liberia nicht mit jener in
Benin oder Ghana zu vergleichen und zweitens bin ich nach so vielen Monaten
einfach schon ein wenig genervt, immer wieder die ewig gleichen stupiden Diskussionen
zu führen - eine Erkenntnis, die meinen Aufenthalt in Guinea eher kurz halten
sollte, und das obwohl ich alle nicht-offiziellen Kontakte in Guinea sehr
genossen hatte. Von Faranah ging es dann nach Sidakoro, jenes Dorf von dem aus
der Nationalpark Haut Niger betreten werden kann. Als ich dort ankam, war ich
wirklich erstaunt. Am Parkeingang befand sich eine riesige Anlage mit ca. 40
Häusern (Unterkünfte für Touristen und Personal sowie Administrationsgebäude),
die, soweit ich das recherchieren konnte, von der Europäischen Union finanziert
wurde. Dass die Anlage sehr ungepflegt war und die Hausfassaden mehr aus
Spinnweben als aus Verputz bestanden, ließ nichts Gutes ahnen. Mein Plan war,
auf jeden Fall zwei Tage im Park zu verbringen und dafür machte ich mich auf
die Suche nach einem Parkführer. Ein solcher war aber nicht zu finden, weshalb
ich mich selbst auf den Weg machte. Ich hatte eine wunderschöne Wanderung im
Nationalpark, mit einem kleinen Schreckmoment - für uns beide. Ich stand
weniger als einen Meter entfernt von einem imposanten Nilwaran, mit ein wenig
mehr als ein Meter Körperlänge. Mein Kopf war aber nach oben gerichtet, auf der
Suche nach Affen und Vögel. Ich nahm den Waran also erst wahr, als dieser sich
entschied zu flüchten. Naja und wenn so ein Monster sich direkt neben dir zu
bewegen beginnt, bleibt einem schon mal kurz der Atem weg. Nach meinem kleinen
Spaziergang durch einen kleinen Teil des Nationalparks ging ich wieder zurück
zum "headquarter", in der Hoffnung einen Parkmitarbeiter zu finden.
Dem war nicht so, aber ich traf auf eine "maman", die gerade von
ihrer Plantage zurückkam. Obwohl mein Malinke alles andere als existent
ist, konnte ich verstehen, dass der Park geschlossen sei und es verboten wäre
eben diesen zu betreten.
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Ein Senegalkiebitz (Vanellus senegallus) im Nationalpark Haut Niger |
Ich bedauerte
das sehr, freute mich aber zumindest eine kleine Wanderung unternommen zu haben
und fuhr zurück nach Faranah, um von dort Richtung Mamou weiterzureisen. Obwohl ich doch ein wenig
niedergeschlagen war, da weder die Nigerquelle noch der Nationalpark Haut Niger
zu meiner Zufriedenheit funktionierten, hatte ich doch recht bald wieder ein
Grinsen im Gesicht. Denn diese Fahrt von Faranah nach Mamou bedeutete, dass ich
das Fouta Djallon betrat - neben der Grasslands in Kamerun und dem
Atakora im beninisch-togolesischem Grenzland die bisher schönste Gegend meiner
Reise. Ich fuhr über Dalaba und Pita nach Labé, also mitten durch das Herz des Fouta Djallon. Es
war aber nicht nur die Landschaft, die mich fesselte, sondern vor allem auch
die Menschen hier, die der Schönheit des Fouta Djallon um nichts nachstehen.
Das Wort, das mir zu den Fulbe, den Bewohneren des Fouta Djallon einfiel, war
"edel". Von Labé ging die Reise weiter nach Yambering und dann nach Mali, der höchgelegenen Ortschaft in Guinea.
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Blick auf die Kleinstadt Mali am Ausgang des Fouta Djallon auf 1400 Meter gelegen |
Hier konnte ich
mich schon ein wenig an die Temperaturen gewöhnen, die mir dann noch in den
Wüstennächten in Mauretanien und Marokko bevorstehen. Anscheinend gab es vor
ein paar Jahrzehnten sogar Schneefall in Mali. Meine Abreise aus der Kleinstadt
Mali Richtung Senegal sollte der Beginn eines weiteren Abenteuers werden. Von
Mali ging es vorerst nach Kaouma, einem kleinen Dorf, das ich erst nach
mehreren Umwegen fand. Kaouma ist zwar ein wirklich kleines Dorf mitten im Nirgendwo,
gleichzeitig aber ein strategisch wichtiger Punkt, da hier die Straßen von
Kédougou (Senegal), Mali und Koundara (beides wichtige Präfekturhauptstädte in
Guinea) zusammenkommen. Diese Straßen als Straßen zu bezeichnen, ist ein wenig
übertrieben, dennoch ist die Kreuzung in Kaouma eine sehr wichtige. Und obwohl
das Dorf klein ist und die Kreuzung von Bedeutung, war es nicht so einfach
diese Kreuzung zu finden. Das Problem war, dass die Straßen hier nicht mal
Feldwegqualitäten hatten und im Prinzip jede Hauszufahrt, die Hauptstraße
Richtung Senegal hätte sein können. Um das Ganze noch schwieriger zu gestalten,
hatte es an diesem Tag heftig geregnet, was wiederum bedeutete, dass keine
Menschen unterwegs waren, um nach dem Weg zu fragen. Folglich klopfte ich
Kaouma an Haustüren, um rauszufinden, ob jener Feldweg, den ich für die Straße
nach Senegal hielt, auch wirklich dieser war. Die ersten Personen, die ich
fragte, konnten das auch sogleich bestätigen. Ich wies noch kurz darauf hin,
dass es Sinn machen würde an einer solchen Kreuzung ein Schild aufzustellen.
Daraufhin wurde mir geantwortet, dass es eh ein Schild gäbe. Um mich kurz von
meiner Blindheit zu überzeugen, schaute ich nochmals Richtung Kreuzung, um das
angesprochene Straßenschild zu finden. In diesem Moment kam aber dann auch
schon der Nebensatz "aber es ist leider umgefallen" - und inzwischen
unter Müll und Erde begraben. Und dann machte ich wieder einen Fehler, weil ich
meinen Mund schon wieder nicht geschlossen halten konnte. Ich machte den
Vorschlag, dass sie doch den Präfekten um einen Euro bitten sollen und dafür
das Straßenschild wieder aufstellen könnten. Dies hatte zur Folge, dass die
Menschen mich anstarrten, als hätte ich irgendein mathematisches Rätsel gelöst,
an dem schon mehrere Meister der letzten Jahrhunderte gescheitert sind. Sofort
wurden die Dorfältesten zusammengetrommelt, um diesen offensichtlich nicht
unvernünftigen Vorschlag des Weißen, weiter zu besprechen. Ich war leider sehr
unfreundlich und wohnte der weiteren Diskussion nicht bei, um mich wieder
meiner Autofahrt zu widmen. Ich wusste ja, dass noch viele Kilometer vor mir
lagen und ich wusste auch, dass die Qualität der Straßen sich vorerst nicht
bessern würde. Die Reise ging also weiter über Lebekéré an die guineisch-senegalesische
Grenze und von dort über Ségou (eine kleine senegalesische Ortschaft) nach Kédougou. Die Strecke von Mali (Guinea) nach Kédougou
(Senegal) ist ein wenig mehr als 100 Kilometer lang; für die ich mehr als 10
Stunden benötigte. Dieser Abschnitt meiner Reise war der mit Abstand anstrengendste.
Ein Großteil der Straße war kein Feldweg sondern führte einfach über loses
Gestein, das nicht einmal mit Schritttempo bewältigt werden konnte. Zusätzlich
waren die Steine und vor allem die Steinplatten aufgrund des Regens sehr
rutschig. Dass dabei auch noch Gefälle von weit mehr als 10% auf diesem
Untergrund zu bewältigen waren, half auch nicht wirklich weiter. Aufgrund des
Regens und weil diese Autofahrt wirklich das Letzte von mir abverlangte, gibt
es leider keine Fotos, obwohl die Gegend selbst wieder atemberaubend war und von
einer Berg-/Hügelkette zur nächsten führte, wobei vor allem der Blick von der
Spitze dieser Ketten hinunter in die Täler unbeschreiblich war. Zusätzlich gab
es auch viel Flora und Fauna zu sehen - so wuselten ständig Gruppen von
Guineapavianen um mein Auto rum, was das Fahren auch nicht einfacher machte.
Sowohl bei der Ausreise aus Guinea als auch bei der Einreise in den Senegal gab
es keine größeren Probleme. Ich gehe mal davon aus, dass man mir ansehen
konnte, dass ich sowohl physisch als auch psychisch an meinen Grenzen war und
deshalb keiner der Grenzbeamten mich in irgendwelche sinnlosen Diskussionen
verwickelte. Außerdem brauchen Staatsbürger der Europäischen Union kein Visum
für Senegal - der Grund, warum ich die guineische Hauptstadt Conakry zuvor nicht
besucht hatte. Obwohl ich, wie schon erwähnt, bei meiner Ankunft in Kédougou
leicht neben mir stand, bemerkte ich sofort, dass ich wieder einmal in eine
neue Welt eintrat. Seit meiner Einreise nach Liberia war dies das erste Mal,
dass meine Unterkunft Strom und fließendes Wasser vorzuweisen hatte. Ich
glaube, ich führte mich auf, wie ein kleiner Dorfjunge, der zum ersten Mal in
seinem Leben in eine größere Stadt kommt. Ich konnte es einfach nicht fassen,
wie organisiert diese Stadt war und was für Infrastruktur aufgeboten wurde
(siehe Wasser und Strom). Inzwischen habe ich mich ja wieder an diesen normalen
Luxus gewöhnt, aber es bleibt trotzdem das Faktum stehen, dass der Senegal
gleich hinter Ghana das bestentwickelte Land ist, das ich auf meiner Reise
besuchte. Auch was Politik und Demokratieverständnis anbelangt ist dieses Land
seinen Nachbarn meilenweit voraus (was aber auch nicht ganz so schwierig ist,
wenn deine Nachbarn Guinea, Guinea-Bissau (und seit diesem Jahr leider auch
wieder) Mali heißen), was sicher auch mit der Präsidentschaftswahl zu Anfang
dieses Jahres zu tun hat. Diese Wahl führte dazu, dass der bisherige Präsident Abdoulaye Wade unter dem Druck der Öffentlichkeit faire Wahlen
zulassen musste, um einen Bürgerkrieg zu verhindern und dass im zweiten
Wahlgang eine überwältigende Mehrheit für seinen Kontrahenten Macky Sall stimmte. Ich hoffe sehr, dass Macky Sall versucht
gute Politik für sein Land zu machen, denn die Voraussetzungen könnten nicht
besser sein. Sein Rückhalt in der Bevölkerung ist unglaublich, was einerseits
an seiner Popularität liegt, andererseits auch an dem klugen Schachzug andere
beliebte Präsidentschaftskandidaten für sein Kabinett zu gewinnen. So ist zum
Beispiel Youssou N'Dour neuer Minister für Kultur und Tourismus. Alleine nur
um den Optimismus und die Aufbruchsstimmung, die derzeit im Senegal herrschen,
mitzuerleben, war es wert dieses Land zu bereisen. Von Kédougou ging es weiter
nach Dar Salam, von wo aus ich den Nationalpark
Niokolo-Koba betrat.
Niokolo ist einer der drei Flüsse im Nationalpark und Koba bedeutet
Pferdeantilope auf Peul (Fulbe). Ich verbrachte vier wunderschöne Tage in
diesem Park. Ursprünglich war der Plan, dass ich eine Nacht im Hotel Simenti,
das malerisch auf einen Hügel direkt am Gambia gebaut wurde, und die restlichen Nächte im Zelt auf
Außenposten verbringe. Nach meiner ersten Nacht im Zelt beschloss ich aber,
dass das Zelt für die nächste Zeit keine Option mehr sein wird. Die
Temperaturen in dieser Gegend lagen bei über 40 °C untertags und in der Nacht
kühlte es nicht wirklich bedeutend ab. Im Hotel musste ich zumindest nicht auf
der aufgeheizten Erde liegen. Was die Tiere anbelangt, war dieser Nationalpark
das absolute Highlight meiner Reise. Eigentlich war es schon der vierte Tag
(morgens) und ich damit auf dem Weg aus dem Nationalpark raus, als direkt neben
der Straße ein Leopard lauerte. Ich konnte mein Glück kaum fassen und vor
allem, dass der Leopard fast 10 Minuten sitzen blieb und überlegte, wie er auf
unsere Ankunft reagieren sollte. Nach 10 Minuten entschied er sich dann leider
doch „nachzugeben“ und trottete langsam davon. Ich fuhr schreiend weiter, weil
ich es einfach nicht fassen konnte, dass ich einen Leoparden sehen durfte und
während ich noch auf mein Lenkrad einhämmerte, überquerte blitzschnell etwas Hundeartiges
die Straße. Während ich fragend ein "Schakal" artikulierte, flitzte
auch schon der nächste vorbei und dann noch einer. Inzwischen war mir klar,
dass die Fellfärbung nicht zu einem Schakal passte. Es waren drei Afrikanische
Wildhunde, die auf der Jagd waren - soviel Glück an einem Tag! Abgesehen von
den Raubtieren, ist der Nationalpark ein Paradies für Vögel. Obwohl die
Regenzeit schon begonnen hatte, hatte diese noch nicht den entsprechenden
Effekt auf viele der Wasserstellen. Dies bedeutete, dass aufgrund der geringen
Wassermenge, die manche der Wasserstellen aufzuweisen hatten, diese bis nach
oben hin mit Fisch gefüllt waren. Selbst die Adler, die auf Fischfang
spezialisiert sind, wie zum Beispiel der Schreiseeadler, saßen nicht mehr auf
den Bäumen an, sondern wateten wie die Reiher durch die Wasserstellen, um
Fische einzusammeln. Neben den Vögeln und den Wiederkäuern, die diese Wasserstellen
aufsuchten, konnte man hier eben auch die Fische beobachten, die sich aufgrund
des Platz- und wahrscheinlich auch Sauerstoffmangels bis zu 30 Zentimeter aus
dem Wasser katapultierten. Anbei die Liste meiner Sichtungen im Niokolo-Koba
Nationalpark:
Säuger: Guineapavian (Papio
papio), Husarenaffe (Erythrocebus patas), Westliche
Grünmeerkatze (Cercopithecus
sabaeus), Gestreiftes Borstenhörnchen (Euxerus erythropus), Graufußhörnchen (Heliosciurus gambianus), Goldschakal (Canis aureus), Afrikanischer
Wildhund (Lycaon
pictus), Zebramanguste (Mungos mungo), Leopard (Panthera pardus), Flusspferd (Hippopotamus amphibius), Warzenschwein (Phacochoerus africanus), Buschbock (Tragelaphus scriptus), Rotflankenducker (Cephalophus rufilatus), Bleichböckchen (Ourebia ourebi), Kob (Kobus kob), Wasserbock (Kobus
ellipsiprymnus), Pferdeantilope (Hippotragus equinus).
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Ein Graufußhörnchen (Heliosciurus gambianus) im Hotel Simenti |
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Mein erster freilebender Leopard (Panthera pardus) |
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Buschbockmännchen (Tragelaphus scriptus) von der Terrasse des Hotel Simenti aus fotografiert |
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Das Wappentier des Niokolo-Koba Nationalparks: die Pferdeantilope (Hippotragus equinus) |
Vögel: Rosapelikan (Pelecanus
onocrotalus), Graureiher (Ardea cinerea), Rallenreiher (Ardeola ralloides), Kuhreiher (Bubulcus ibis), Seidenreiher (Egretta garzetta), Silberreiher (Egretta alba), Hammerkopf (Scopus umbretta), Mangrovenreiher (Butorides striatus), Wollhalsstorch (Ciconia episcopus), Sattelstorch (Ephippiorhynchus
senegalensis), Hagedasch (Bostrychia hagedash), Witwenpfeifgans (Dendrocygna viduata), Höckerglanzgans (Sarkidiornis melanotos), Sporngans (Plectropterus gambensis), Schreiseeadler (Haliaeetus vocifer), Palmgeier (Gypohierax angolensis), Höhlenweihe (Polyboroides typus), Gaukler (Terathopius ecaudatus), Graubürzel-Singhabicht (Melierax metabates), Heuschreckenbussard (Butastur rufipennis), Doppelspornfrankolin (Francolinus bicalcaratus), Felsenrebhuhn (Ptilopachus petrosus), Helmperlhuhn (Numida meleagris galeata), Mohrensumpfhuhn (Amaurornis flavirostris), Blaustirn-Blatthühnchen (Actophilornis africana), Kronenkranich (Balearica pavonina), Schwarzbauchtrappe (Eupodotis melanogaster), Wassertriel (Burhinus vermiculatus), Stelzenläufer (Himantopus himantopus), Krokodilwächter (Pluvianus aegyptius), Buntgoldschnepfe (Rostratula benghalensis), Spornkiebitz (Vanellus spinosus), Senegalkiebitz (Vanellus senegallus), Buschflughuhn (Pterocles quadricinctus), Guineataube (Columba guinea), Halbmondtaube (Streptopelia semitorquata), Röteltaube (Streptopelia vinacea), Palmtaube (Streptopelia senegalensis), Erzflecktäubchen (Turtur abyssinicus), Halsbandsittich (Psittacula krameri), Mohrenkopfpapagei (Poicephalus senegalus), Schwarzschwanz-Lärmvogel (Crinifer piscator), Jacobinkuckuck (Oxylophus jacobinus), Spornkuckuck (Centropus senegalensis), Zwergkönigsfischer (Ceyx pictus), Graufischer (Ceryle rudis), Graukopfliest (Halcyon leucocephala), Zwergspint (Merops pusillus), Rotkehlspint (Merops bullocki), Zimtroller (Eurystomus glaucurus), Opalracke (Coracias cyanogaster), Senegalracke (Coracias abyssinicus), Grautoko (Tockus nasutus), Rotschnabeltoko (Tockus erythrorhynchus), Nördlicher Hornrabe (Bucorvus abyssinicus), Senegalfurchenschnabel (Lybius dubius), Kleine
Streifenschwalbe (Hirundo
abyssinica), Graubülbül (Pycnonotus barbatus), Schuppenkopfrötel (Cossypha albicapilla), Pirolsänger (Hypergerus atriceps), Senegaldrongoschnäpper (Melaenornis edolioides), Grauschnäpper (Muscicapa striata), Weißaugendrossling (Turdoides reinwardtii), Elfennektarvogel (Cinnyris pulchellus), Goldschnabelwürger (Corvinella corvina), Goldscheitelwürger (Laniarius barbarus), Trauerdrongo (Dicrurus adsimilis), Piapia (Ptilostomus afer), Purpurglanzstar (Lamprotornis purpureus), Grünschwanzglanzstar (Lamprotornis chalybaeus), Langschwanzglanzstar (Lamprotornis caudatus), Zwergweber (Ploceus luteolus), Orangebäckchen (Estrilda melpoda), Schmetterlingsfink (Uraeginthus bengalus), Senegalamarant (Lagonosticta senegala), Mosambikgirlitz (Serinus mozambicus) und weitere Vögel (vor
allem Raubvögel), die ich nicht zu bestimmen vermochte.
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Witwenpfeifgänse (Dendrocygna viduata) im Mare de Simenti |
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Senegalracke (Coracias abyssinicus) |
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Ein männliches Exemplar eines Nördlichen Hornraben (Bucorvus abyssinicus) |
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Ein Orangebäckchen (Estrilda melpoda) auf dem Weg zum Wassertrinken |
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Nilkrokodile (Crocodylus niloticus) am Ufer des Gambia |
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Ein Steppenwaran (Varanus exanthematicus), wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich dieses Tier richtig bestimmt habe. |
Restlos
zufrieden mit meinem Nationalparkaufenthalt ging es zurück nach Dar Salam und
von dort nach Tambacounda. Von Tambacounda ging es dann noch für eine
Stipvisite in die Casamance. Ich fuhr über Vélingara und Kounkané in das Dorf Medina Schérif. Der Österreichische Auslandsdienst, jener Verein über den ich 2005/2006 meinen
"Zivilersatzdienst" in Gabun geleistet hatte, hat eine neue Sozialdienststelle in
Medina Chérif, die den Aufbau und die Unterstützung des täglichen Betriebs
einer Krankenstation vor Ort zum Ziel hat. Der Tiroler Matthias Zeilerbauer wird dort ab
1. August 2012 als erster Österreicher seinen Auslandsdienst leisten. Ich
wollte eigentlich mit den Projektleitern von Hope'87, die für die
Krankenstation verantwortlich zeichnen, reden. Leider war keiner von den
Projektverantwortlichen vor Ort. Ich bin aber auch unangemeldet dort
aufgekreuzt. Nichts desto trotz unterhielt ich mich mit dem Dorfchef, Django
Balde und anderen "Notables" des Dorfes, allen voran dem Lyriker
Abdourahmane Diallo, der einen Gedichtband zur politisch schon seit Jahrzehnten
unruhigen Region Casamance veröffentlichte: "Les marécages de la
paix".
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"Réunion" in Medina Schérif mit dem Lyriker Abdourahmane Diallo (rechts von mir) |
Nach einem sehr
lehrreichen und unterhaltsamen Nachmittag ging es zurück nach Tambacounda und
von dort über Koussanar, Koumpentoum, Koungheul, Kaffrine, Kaolack und M'bour nach Dakar. Zwischen
Kaffrine und Kaolack half ich ein Auto abzuschleppen. Wie sich dann
herausstellte gehörte das Auto einem gewissen Herrn Aliou, der in der Gegend
viele Mikrokreditprojekte betreute. Da ich natürlich wie immer sehr
interessiert an solchen Projekten war, fuhr er bei mir im Auto mit und wir
unterhielten uns stundenlang über den Senegal und seine Perspektiven.
Nachmittags wurde ich dann von seiner Familie zum Essen eingeladen und da ich den
Großteil meiner Kleider anstatt zu tragen auch gleich in eine Mülltonne stopfen
könnte, wurde ich auch noch mit neuen Klamotten eingedeckt. Denn, wie sich des
Weiteren herausstellte, ist Aliou Designer mit seinem eigenen Label "Kaay Fii" und unter
anderem wir Youssou N'Dour von ihm eingekleidet. Damit kann ich nun in Dakar
anstatt mit meinen verdreckten Kleidungsstücken, mit hippen Designerklamotten
rumlaufen. Und Dakar selbst ist eine richtig coole Stadt. Schon bei meiner
Ankunft und meiner ersten Fahrt durch Dakar war ich unglaublich angetan von
dieser Stadt. Ich entschied aber vorerst meinen nächsten Blogeintrag zu
schreiben, bevor das große Dakar-Sightseeing beginnt. Das heißt die Details zu Dakar
gibt es dann im nächsten Blogeintrag, der wahrscheinlich aus Marokko
geschrieben werden wird. Von Dakar werde ich nämlich nach St. Louis und Rosso
an die mauretanische Grenze fahren, von wo aus es etwa 1000 Kilometer an der
Atlantikküste entlang nach Norden gehen wird. Zwischen mir und dem europäischen
Kontinent liegen nach nun fast acht Monaten Autofahrt nur noch ganz viel Sand
und etwas Wasser.